Moderat salomonisch?

UKE-Strahlenskandal: Oberlandesgericht schlägt überraschend einen Vergleich vor  ■ Von Lisa Schönemann

Für Ruth K. und andere, die als Opfer des UKE-Strahlenskandals vor Gericht auf Schadenersatz klagen, war der gestrige Freitag ein Tag mehr auf einem langen Leidensweg. Sie möchten den Prozeß so schnell wie möglich hinter sich bringen. Das Hansesatische Oberlandesgericht (OLG) hat gestern vorgeschlagen, die ehemaligen Patientinnen der gynäkologischen Radiologie mit jeweils 20.000 Mark Schmerzensgeld abzufinden.

„Am liebsten zurücknehmen“würde Ruth K. ihre Schmerzensgeldforderung. „Andere haben noch etwas von ihrem Leben, ich nicht“, sagt die Angestellte der Lufthansa, die 1993 wegen eines Mammakarzinoms brusterhaltend operiert wurde. Anschließend kam sie zur strahlentherapeutischen Behandlung in die Universitätsklinik Eppendorf (UKE). „Man gewöhnt sich an alles“, antwortet sie resigniert auf die Frage nach Schmerzen in Brust, Arm und Rücken. Die Höhe der zu erwartenden Entschädigung ist ihr egal. Ihr einziges Interesse: Mit ihrer Klage möchte Ruth K. andere Krebspatientinnen vor den Folgen einer zu hohen Bestrahlung warnen.

In der Berufungsverhandlung geht es um den Vorwurf der Patientinnen, sie seien nicht darüber aufgeklärt worden, daß die in der gynäkologischen Radiologie angewandte Dosierungsmethode mit 4 mal 2,5 Gy statt 5 mal 2,0 Gy pro Woche mit erhöhten Risiken verbunden sein könnten.

Das Landgericht hatte vier Patientinnen aus dem Strahlenkomplex der UKE-Frauenklinik im vergangenen Jahr Recht gegeben und die Hansestadt Hamburg als Dienstherrin der Uni-Klinik zu Schadenersatzleistungen verurteilt. Die Stadt und auch der betreffende Chefarzt Hans-Joachim Frischbier hatten dagegen Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht soll jetzt in vier Musterfällen entscheiden, was den Frauen zusteht. Beim Landgericht sind rund 80 weitere Verfahren anhängig, bei denen es ebenfalls um eine erhöhte Dosis bei der Bestrahlung der Brust geht.

Eine der 80 Frauen, die noch auf eine Entschädigung warten, ist Ursula R., die lange Zeit „nicht wahrhaben wollte“, welche Schädigungen sie durch die Strahlentherapie erhalten hat. Auch sie würde gern auf die 20.000 Mark Schmerzensgeld verzichten, wenn sie dafür ihre Gesundheit zurückbekäme: „Ich kann meinen linken Arm nicht mehr benutzen, die Schmerzen strahlen bis in den Rücken aus.“

Der Anwalt der Patientinnen, Wilhelm Funke, und seine Mandantinnen wollen „gut nachdenken“, über den Vergleichsvorschlag des OLG, mit dem der Komplex ohne jahrelangen Rechtsstreit abgeschlossen werden könnte. Aber allein bei diesen vier „noch moderate Strahlenschäden“sei , so Funke, eine „einmalige Abfindung überhaupt diskutierbar“.

Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) lobte, „der salomonische Vergleichsvorschlag des Gerichts zielt auf eine schnelle Lösung.“Und die ist schließlich im Koalitionsvertrag vorgesehen. Bis zum 16. März haben die Parteien Zeit, zu einer Einigung zu kommen. Anderenfalls entscheidet der Zivilsenat des OLG am 10. April.

Bislang sind im Strahlenskandal in der Radiologischen Klinik und der Frauenklinik des UKE rund 23 Millionen Mark Entschädigungen gezahlt worden. Doch auf die Stadt rollen weitere Ansprüche in zweistelliger Millionenhöhe zu.