Der letzte Witz aus der Mülltonne

■ Christoph Roethels „Endspiel“im Theater im Zimmer lebt von fataler Eineiigkeit

Die Hausherrin sitzt in der Mülltonne. Doch zu sehen und zu hören ist Theaterchefin Gerda Gmelin kaum. Als beinamputierte Nell steckt sie den Kopf mit der gekräuselten Nachthaube nur einmal aus ihrer Behausung heraus. Zum letzten Mal hört sie sich einen Witz an, den ihr ebenfalls beinloser Mann Nagg (Karl-Ulrich Meves) aus der benachbarten Mülltonne erzählt. Keine Miene verzieht sie. Und stirbt ganz leise.

Endspiel im Theater im Zimmer. Mit dem düsteren Drama von 1957 beginnt dort das Samuel-Beckett-Festival. Gerda Gmelin hat es zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens ihres kleinen Theaters ausrichten lassen. Ein Auftakt, der sich sehen lassen kann. Nicht weil das Geschehen auf der Bühne besonders unterhaltsam oder aufregend wäre. Immerhin wird Beckett gespielt, und dazu gehört ein notorisches Ziehen am Geduldsfaden der Zuschauer.

Die zähe Ausweglosigkeit allen Daseins in einer apokalyptischen Endzeit verkörpern Hamm, der gelähmte und blinde Sohn des Mülltonnen-Ehepaars, und Clov, Diener und Pfleger der Familie. In einer Art Haßliebe, die nach langen Jahren in Gleichgültigkeit umgeschlagen ist, sind Herr und Knecht aneinandergeschweißt, unfähig, den anderen zu verlassen. Von der Idee, die Zwillinge im Geiste von einem realen Zwillingspaar spielen zu lassen, lebt Christoph Roethels Inszenierung. Eine ausgezeichnete Idee, die auf subtile Weise die gegenseitige Abhängigkeit verdeutlicht und für eine unterschwellige Irritation sorgt. Denn die Ähnlichkeit der Brüder wird durch ihren höchst unterschiedlichen Ausdruck konterkariert.

Kurt Glockzin als Clov läuft wie eine steifbeinige Aufziehpuppe in abgezirkelten Bahnen durch den Raum. Mit weit auseinandergebogenen O-Beinen macht er zackige Schlurfschritte, um die Befehle seines Herrn auszuführen und sich danach wieder in Position zu stellen – der Kopf fast auf die hageren Schultern gesunken. Nur manchmal scheint sich sein Hals in kurzer Rebellion nach oben zu schrauben. Dann gewinnt er eine trotzige Würde, bevor er wieder in sich zusammensinkt.

Diese minimal veränderten Bewegungsabfolgen machen einen Großteil vom Reiz der Inszenierung aus. Ein einziges Mal führen die Brüder eine Geste synchron aus – in der Sparsamkeit wirkt das doppelt eindrucksvoll. So wird das Zwillingsmotiv nicht überstrapaziert, doch leider kann Ludwig-Christian Glockzin als Hamm verbal nicht wettmachen, was ihm seine Rolle an Bewegung versagt. Der Hausherrin in der Mülltonne hätte man gerne noch weiter zugehört. Das kann nachgeholt werden. In Glückliche Tage, dem zweiten Beckett-Stück, das am 3. März Premiere feiert, spielt Gerda Gmelin die Hauptrolle.

Karin Liebe

„Endspiel“noch am 1.3., 10.3., 15.3., 24.3., 29.3.