Bombenanschlag stärkt Hindupartei

Zweiter Wahltag in Indien: Ein mutmaßlich von Muslimen durchgeführter Anschlag im südindischen Coimbatore könnte der Hindupartei BJP die entscheidenden Stimmen aus dem Süden des Landes verschaffen  ■ Aus Delhi Bernard Imhasly

Morgen wird in weiteren 181 indischen Wahlkreisen gewählt. Es ist der zweite von vier aus Sicherheitsgründen angesetzten Wahlterminen für die 600 Millionen Wahlberechtigten. Die Behörden haben inzwischen angekündigt, daß in 1.060 Wahllokalen in den Bundesstaaten Andhra Pradesh, Uttar Pradesh und Bihar die Wahlen vom vergangenen Montag wegen Unregelmäßigkeiten wiederholt werden müssen. Bei Anschlägen auf Wahllokale starben bisher über 30 Menschen. In der südindischen Industriestadt Coimbatore in Tamil Nadu wurde der ursprünglich für morgen vorgesehene Urnengang auf den dritten Termin am 28. Februar verschoben. Die Bombenanschläge in Coimbatore vom vergangenen Wochenende mit inzwischen 58 Toten sind noch zu frisch, als daß dort eine ruhige Wahl garantiert werden könnte. Noch immer fallen vereinzelt Schüsse und gehen Bomben hoch. Jüngste Opfer sind vier Schüler, die beim Cricketspiel auf der Suche nach dem Ball im Gebüsch auf eine Tasche stießen, die beim Öffnen explodierte.

Die vier Opfer waren Muslime. Das nährt Gerüchte, daß es die Rache extremer Hindus für den Anschlag vom letzten Samstag sei, der dem BJP-Vorsitzenden Lal Krishna Advani galt. Für das gescheiterte Attentat machen die Behörden inzwischen muslimische Täter verantwortlich. Bei der Spurensicherung will die Polizei Verbindungen zu den Gruppen al- Umma und Jihad Committee aufgedeckt zu haben. Beide Organisationen wurden inzwischen verboten. Besonders al-Umma hatte sich in Coimbatore als mafiaähnliche Organisation der muslimischen Minderheit etabliert.

Die Unruhen vom Dezember waren von al-Umma-Mitgliedern ausgelöst worden, die einen Polizisten erstochen hatten. Die Muslime, die in Coimbatore 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wurden darauf zum Freiwild hinduistischer Fanatiker und eines Mobs, der von der Polizei beim Brandschatzen von Geschäften und Moscheen geschützt wurde. Coimbatore wurde erstmalig Schauplatz religiöser Gewalt. Die Stadt hatte als neue Textil-Metropole in den letzten 30 Jahren einen rasanten Wirtschaftsboom erlebt. Die Bevölkerung war von 300.000 auf 1,5 Millionen angewachsen.

Doch die Jobs im modernen Sektor gingen meist an gut ausgebildete Zuwanderer, während die Einheimischen in traditionellen Berufen hängenblieben. Dies gilt besonders für die muslimische Minderheit. Der Soziologe Andrea Beateille macht dafür den Wegzug der muslimischen Eliten nach Pakistan verantwortlich. Sie hatten die Mehrheit ihrer Religionsgenossen allein gelassen, als diese wegen des Traumas der Spaltung der früheren Kolonie ohnehin unter dem Verdacht des Landesverrats gestanden hätten.

Daß das Virus religiöser Auseinandersetzungen nun auch Südindien – und ausgerechnet die moderne Industriestadt Coimbatore – erreichte, kommt für die meisten überraschend. Der muslimische Geschäftsmann K. A. Rahiman führt dies einerseits auf die gesamtindische Polarisierung der beiden Religionsgemeinschaften zurück, die sich als Folge des Marsches der Hindupartei BJP in Richtung Regierungsmacht verstärkt hat. Die Zerstörung der Moschee von Ayodhya 1992 hatte auch in Südindien erstmals Unruhe gestiftet. Der Jahrestag am 6. Dezember führt regelmäßig zu vereinzelten Bombenanschlägen.

Rahiman teilt aber auch die Meinung eines Hindus aus Kerala, der die islamische Radikalisierung Coimbatores auf den Zustrom von Muslimen aus Kerala zurückführt. Mehrere Millionen Keraler arbeiten in den Golfstaaten. Dort werden die Muslime unter ihnen von radikalen Sekten missioniert. Aus indischer Sicht ist es auch für den pakistanischen Geheimdienst leicht, indische Muslime im Golf für „seine Sache“ – eine Destabilisierung Indiens – zu gewinnen.

Jetzt ist die Überzeugung weit verbreitet, die BJP könnte an den restlichen Wahltagen besonders in Tamil Nadu viele Stimmen gewinnen. Diese könnten von denen kommen, die nun im Interesse einer stabilen Regierung die Partei unterstützen, die ohnehin die Nase vorn hat. Dies könnte auch über den Sieg auf nationaler Ebene entscheiden. Denn die BJP ist für eine Parlamentsmehrheit auf den Süden angewiesen, weil ihr Stimmenpotential im Norden weitgehend ausgeschöpft ist. Diese Stimmen könnten ihr die Anschläge in Coimbatore bringen.

Sollten die Bomben tatsächlich auf muslimische Hintermänner zurückgehen, würde sich einmal mehr bewahrheiten, daß sich die Extreme die Hände reichen. Indische Zeitungen zitieren in diesem Zusammenhang gar den ehemaligen Leiter des pakistanischen Geheimdienstes ISI, General Durrani. Er argumentiert für einen BJP-Sieg, weil dies die Legitimation Pakistans als islamischer Staat stärken würde. Insofern könnte eine ISI-Beteiligung an den Anschlägen sogar Sinn machen.