Getöse und Erkenntnisarbeit

■ Mäßiges Verwirrspiel in schöner Inszenierung: Kazuko Watanabe zeigt Michael Roes' „Madschun al-Malik“

„Das Wort ist im Redner gefangen. Doch ist das Wort dann ausgesprochen, so ist der Redner der Gefangene des Wortes.“Berückend einfach, doch voller Hintersinn sind die Lebensweisheiten des Narren Madschun al-Malik, der mit diesem Sinnspruch sein ganzes Dilemma einfängt: Immer wieder redet er sich um Kopf und Kragen, wenn er mit tollkühnem Irrsinn dem Wahn der Mächtigen entgegentritt.

Mit dem Narren des Königs hat Michael Roes in seinem jüngsten Drama eine traditionelle Figur des jemenitischen Theaters auf eine Reise von der Sintflut bis in die heutige Zeit geschickt. Weil Madschun al-Malik sich als Esel getarnt auf die Arche Noah rettet und so Gott überlistet, wird er von Noah ertränkt. Und seine Strafe ist noch härter: Als Typus wird er siebenmal wiedergeboren, um im Wasser den Tod zu finden. Zuletzt sind es europäische Geschäftsleute, die den Narren über Bord ihres Schiffes werfen – selbstverständlich nachdem sie sich für einen Kaffeeschmuggel seine unschuldige Erscheinung und Lust am Verwirrspiel zunutze gemacht haben.

Frei von platten Orientalismen läßt die japanische Bühnenbildnerin und Regisseurin Kazuko Wa-tanabe auf der Bühne eine ganz eigene Ästhetik entstehen, die in ihrer spielerischen Leichtigkeit fasziniert. Ein einfaches Quadrat aus Sand mit eingelassenen Wasserstellen und drei schlichten Pfeilern, über das sich variable Tuchbahnen senken lassen, wird in seiner Reduktion zum mythischen Ort. Den Vorhang ersetzt ein ein grell aufblendendes weißes Licht. Einen scharfen Kontrast bilden die Könige und Feldherren, die Kamele und Hunde, die sich diesen Raum in skurril überzeichneten Kostümen und mit gauklerhaftem Getöse aneignen.

Während der Sandkasten das Spielerische des Stücks symbolisiert, machen die plakativen Verkleidungen der Darsteller seinen Lehrstückcharakter sichtbar. Doch dieser Spagat zwischen orientalischem Schelmenstück und abendländischem Aufklärungstheater will nicht ganz gelingen. Zwar entwickeln die Figuren trotz der Textfülle und der ständig wechselnden Rollen, in denen der Narr als Schema nacheinander von allen sieben Schauspielern verkörpert wird, eine fast kindliche Glaubwürdigkeit. Allzu düster vergeistigt wirken dagegen die Monologe des Madschuns, mit denen das sehr ambitionierte Stück gegen Ende mit aller Macht auf die schmerzhafte Erkenntnis hinarbeitet. In einer zerfallenden Welt, in der der Konsumgott Leviathan das Sagen hat, ist der einst verachtete Narr selbst zum Verächter der Menschen geworden – weshalb er von gestapoähnlichen Beamten zwangsweise zum Herrscher gemacht werden soll.

Dies animiert zu dunklen Deutungen, über die originell angelegte Doppelbödigkeit schießt es jedoch hinaus: Hintergründigen Reiz entfaltet das Schauspiel nur, solange es das Publikum durch seine unterhaltsame Komik zum Narren hält – wie Madschun den König, der die scheinbar harmlosen Scherze ebenfalls nur in lichten Momenten durchschaut. Sabine Claus

noch morgen und übermorgen, 19 Uhr 30, Kampnagel (K2)