Immer voll bei der Sache

■ Eine Begegnung mit Pam Grier, als "Jackie Brown" einer der großen Stars dieser Berlinale

Mit Pam Grier läßt sich kein Interview führen. Das klassische Spiel „Journalisten fragen, Prominente antworten“, will bei der Frau, die mal „Foxy Brown“ war und jetzt „Jackie Brown“ ist, einfach nicht greifen. Aber das macht nichts. Denn aus ihr sprudeln Anekdoten und Geschichte(n) so unverblümt und charmant heraus, daß man sie gar nicht mehr unterbrechen mag. „Sie ist eine in die Ecke gedrängte Ratte“, beschreibt Pam Grier ihre titelgebende Rolle in Tarantinos Film. „Sie ist eine Antiheldin, das ist Film noir.“

So wie sie über „Jackie Brown“ spricht, scheint sie auch selbst zu sein, wie sie da auf der Couch sitzt, in einem dunklen Jeans&Pulli- Ensemble, enthusiastisch mit den Händen mitredend, jugendlich. Wenn sie redet und eine besonders klischeehafte Passage ihrer Biographie erreicht, bekommt ihre Stimme einen wundervoll selbstironischen Klang. „Ich versuche jetzt mal eine kleine Gechichtsstunde zu geben, 25 Jahre in 7 Minuten“, sagt sie amüsiert und leitet so ein kurzes Referat über afroamerikanische Kultur und Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Seventies ein. Wie sich da die Bürgerrechtsbewegung ausgezahlt und in jenem Jahrzehnt mehr Wechselwirkung zwischen den Kulturen, Klassen und Bevölkerungsgruppen stattgefunden habe als zu irgendeiner anderen Zeit. „Weiße konnten in Konzerte von Tina Turner oder James Brown gehen, ohne ,Nigger Lovers‘ genannt zu werden. Schwarze Methodisten wurden Buddhisten. Die Frauenbewegung – weg mit den BHs, her mit Playgirl Magazine, wir wollen uns nackte Kerle ansehen! Der Begriff ,Blaxploitation‘ ist negativ besetzt, aber in der Zeit dieser Filme sind mehr afroamerikanische Filmschaffende von vor oder hinter der Kamera in die Gewerkschaften eingetreten und damit ins Mainstream-Kino als je zuvor oder danach“, stellt sie fest und fügt hinzu, „aber wir haben unser Publikum, das wir mit Mario Van Peebles ,Shaft‘ erschlossen haben, selbst vergrault. Wir haben es mit austauschbaren Figuren und hirnlosen Storys zu Tode gelangweilt.“

Pam Grier läßt sich nicht kleinkriegen. Nicht von den billigen Exploitation- und Actionfilmen, die sie bis in die Achtziger gedreht hat, nicht von Drogen („war mir zu teuer, ich mußte meine College- Ausbildung bezahlen“), nicht von der kurzen Ehe mit dem selbstzerstörerischen Richard Pryor, nicht vom Krebs, nicht von den Besetzungsleuten, denen sie mit ihren 1,75 Meter zu groß ist. Ihr Leben ist geordnet, sie lebt bei Denver auf dem Land zusammen mit vier Pferden und sechs Hunden und hat einen etwa fünfzehn Jahre jüngeren Freund. „Ich bin immer noch 125prozentig bei der Sache und im Geschäft, denn das ist meine Leidenschaft. Ich schreibe, mache Filme und Theater, toure durchs Land, lerne tolle Leute kennen und verdiene gutes Geld, aber vor allem erfüllt mich meine Arbeit als Künstlerin.“ Irgendwann leitet einen eine unverbindlich-freundliche Pressebetreuerin zur Tür. Daß man ohne Interview geht, ist einem völlig egal. Thomas Klein