Wodka für die Königin

■ Georgette Dee und Terry Truck mit „Na also, good-bye“in Schmidt's Tivoli

„In literarischen Programmen hat man immer so wenig...“, sagt die Diva und fuchtelt in verzweifelter Sprachlosigkeit mit den Armen in der Luft herum. Dann hat sie's: „echtes Kunstwerk zu intonieren mit der ganzen Wildheit des Seins – so sind wir Deutschen halt nicht.“

Wodka für die Königin, Torte für Brecht: Auch Georgette wartete am Sonntag zum Jubiläum mit einem Brecht-Abend auf – mit berühmten Songs aus der Dreigroschenoper, Happy End und Mahagony in den berühmten Vertonungen von Kurt Weill. Gewohnt hektisch und ein bißchen derangiert beginnt sie mit dem „Matrosen-Tango“, der selbst Steine anrühren würde, so leidenschaftlich inbrünstig und ernsthaft verzweifelt klingt er aus ihrem Wodka- und Nikotinversorgten Munde. Doch, wie sie alsbald klarstellt, dies ist eine Party „nicht von Brecht, sondern für Brecht“. Wie immer läuft das Programm denn auch völlig aus dem Ruder, und das ist auch gut so, denn das wollen ja alle sehen.

Also heult sie ihrer Freundin Irmtraud die Ohren wund und stolpert über Männer und Ordnungswidrigkeiten, denen man selbst als gute Kapitalistin nicht entkommen kann. Nein, Frau Dee ist nicht so glatt wie ihr Make-Up, und wer hätte überhaupt schon mal versucht, bei Monopoly nicht zu betrügen? – „Einer muß die Schloßallee ficken!“

Ordinär, doch mühsam um Würde kämpfend, knallt sie im „Eifersuchts-Duett“den Fuß auf das Klavier des treuen Gefährten Terry Truck, den sie als Schlampe tituliert, noch im gleichen Atemzug die immer zu langsamen Kellner Kiffer nennend. So obszön sie die Geschichte der „Seeräuber-Jenny“in ihrer ureigenen Art schildert, so leise und verletzlich intoniert sie den Song. Wäre es möglich, in diesem Wechselbad der Gefühle auch nur für einen Moment objektiv zu sein, so könnte man sich fragen, ob der strenge Brecht der Königin wirklich so gut steht wie ihre Marlene Dietrich Nummern. Glücklicherweise disqualifiziert sich solch blasphemische Kleinkrämerei von allein. Egal, was Georgette Dee macht, sie macht es unvergleichlich. Und selbst wenn sie in ferner Zukunft mal zu alt zum Singen sein sollte, wird ihr das Publikum noch treu bleiben, in ausverkaufte Häuser drängen – die Schnabeltasse voll Wodka fest in der Hand.

Sabine Claus