Life's not easy in the city

■ Der Reggaemusiker Mutabaruka gastierte im Modernes

Das Modernes hat eine lange Tradition guter Reggae-Konzerte und konnte am Sonntag Mr. Mutabaruka, den provokantesten und originellsten Künstler, den Kingston derzeit zu bieten hat, präsentieren.

Mutabaruka, 1953 als Allen Hope auf Jamaica geboren, trat erst 1981 auf dem Reggae Sunsplash-Festival als Musiker in Erscheinung und ging danach sofort mit Jimmy Cliff auf Kuba-Tour. Cliff gilt seit seiner Hauptrolle in Perry Henzells „The Harder they Come“als der authentischste Reggae-Star zwischen Musik und politischer Einflußnahme. Das Bild des religiös-visionären, stoisch-heroischen Rastas hält sich, seit Jamaica 1962 unabhängig wurde. Henzell, der das wegweisende Dokudrama mit echten Gangs gegen den Willen der Regierung abdrehte, trivialisierte das Bild dann 1982 mit seinem Buch „The Power Game“, in dem der Musiker Zach zwischen korrupte Politiker und die Haie der Popmusik gerät. Jimmy Cliff kann nichts dafür, Bob Marley sitzt kiffend neben John Lennon im Himmel, während ihre alten Hits neu aufbereitet werden.

Mutabaruka hat sich diese Entwicklung sehr genau angesehen. Von Haus aus ist er eigentlich Poet und Techniker einer Telefongesellschaft. Nach Büchern wie „Outcry“oder „Sun and Moon“wendete er sich 1972, ein Jahr nach dem Massenerfolg von „The Harder they come“, der Musik zu. Anfangs las Mutabaruka mit Backing-Band seine Gedichte vor, aber der experimentierfreudige Familienvater ließ nicht locker.

Mit Gitarrist Chinna Smith und der „High Times Band“gelang ihm sogar ein Hit, „Everytime I hear De Soun“.

Von der Sonne und dem lieben Gott war auch am Sonntagabend viel die Rede. Muta hatte sich sogar extra einen summenden Gefährten mit Sonnenschirm zur Seite gestellt, falls sich im Modernes überraschend das Dach öffnen sollte. Ansonsten nahm sich der Maestro Zeit und klärte das Publikum über ihre Sündenregister auf. Mutabaruka bezog sich dabei explizit auf den gesamten Karneval, der zu Rastafari und Reggae anno '98 dazugehört. Er bediente die Klischees, die er eigentlich zu zerstören sucht, betrieb nebenbei Agitation („George Bush, der alte Drogenhändler!“) und ging auch auf den Sexismus ein, der von den meisten Rastas bedingungslos unterschrieben wird.

Mutabaruka und seine Band vermittelten teilweise das Gefühl, als Gast einer privaten Probe beizuwohnen. Der olympiareife Drummer füllte mühelos lange Solo-Passagen mit leichter Hand, und Muta trat prüfend an seine Seite, als könnte er die Taktwechsel selbst nicht glauben. Vieles an der Inszenierung bezog sich explizit auf die eigenen Wurzeln, auf Reggae und die Geschichte schwarzer Befreiungskämpfe. Mutabarukas Vielschichtigkeit konnten wir Milchgesichter nur am Rande erahnen.

Während der Zugaben stellte sich schließlich das Gefühl ein, das beste Reggae-Konzert seit langem gesehen zu haben, und schlagartig ging die Deckenbeleuchtung an, Becher wurden zusammengefegt, das Konzert war vorbei, überall wurde stöhnend geblinzelt, und auf der Straße ward noch lange „Life's not easy in the city“gepfiffen.

StErn