„Wasserpreise steigen sofort in die Höhe“

■ Wirtschaftsforscher Dieter Vesper betrachtet die Pläne zur Privatisierung der Wasserbetriebe mit Skepsis und fordert statt dessen höhere Produktivität. Modell der Finanzverwaltung „kein Vorteil“

taz: Sie betrachten die geplante Privatisierung der Wasserbetriebe mit Skepsis. Warum?

Dieter Vesper: Wenn man die Wasserbetriebe (BWB), wie Wirtschaftssenator Pieroth es anstrebt, von der landeseigenen Anstalt des öffentlichen Rechts in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft umwandelt, wird aus einem öffentlichen Monopol ein privates. Ich bezweifle, daß dieses Unternehmen günstigere Preise verlangt als heute. Schließlich existiert kein Wettbewerb mit anderen Betrieben.

Sind dem Investor bei Preiserhöhungen nicht die Hände gebunden?

Nur beim Abwasser. Die Entsorgung ist eine hoheitliche Aufgabe. Der Wirtschaftssenator muß die Preise genehmigen. Aber beim Wasser sieht es anders aus. Da gibt es keine Genehmigungspflicht. Außerdem müßten die Wasserbetriebe im Gegensatz zu heute Umsatzsteuer abführen, wenn sie als Aktiengesellschaft arbeiteten. Dadurch würden die Wasserpreise sofort um 7,5 Prozent steigen.

Private Betreiber versuchen Stellen zu reduzieren. Würde das nicht die Kosten und damit die Preise für die Verbraucher senken?

Was hätten die Investoren davon? Wenn sie die Kostensenkung in Form niedriger Preise an die Verbraucher weitergäben, stiege ihr Gewinn nicht automatisch. Sie haben eher das Interesse, die Kosteneinsparungen in Form höherer Gewinne einzubehalten.

Der Gesamtpersonalrat der BWB hat vorgeschlagen, die Betriebe in öffentlicher Hand zu lassen. Dann sollen sie eine neue Konzessionsabgabe von 2 Milliarden Mark und zusätzlich 270 Millionen jährlich als Eigenkapitalverzinsung ans Land überweisen. Wird das Unternehmen durch diese gigantischen Summen nicht überfordert?

Um die Konzessionsabgabe zu zahlen, müßten die BWB 2 Milliarden Mark bei Banken aufnehmen und dafür die Zinsen und Tilgung finanzieren. 2 Milliarden bedeuten ja 100 bis 150 Millionen Mark zusätzliche Zinsen jährlich. Das drückt natürlich den Jahresüberschuß. Deshalb sind sie dann möglicherweise nicht in der Lage, die festgelegte Eigenkapitalverzinsung zu leisten.

Gewerkschaft ÖTV und Personalrat möchten beides haben, damit dem Landeshaushalt auch ohne Privatisierung genug Geld zufließt. Augenwischerei?

Die Wasserbetriebe müßten ihren Gewinn erheblich steigern, um diese Forderungen zu erfüllen. Das können sie tun, indem sie die Gebühren erhöhen oder die Kosten senken – besonders die Personalkosten.

Die Strategie der Arbeitnehmervertreter führt also zu denselben Konsequenzen wie die Privatisierung – höhere Verbraucherpreise und Vernichtung von Arbeitsplätzen?

Man kann es so sehen.

Die Finanzsenatorin propagiert jetzt ein drittes Modell. Um den Widerstand der Gewerkschaft auszuhebeln, sollen die Wasserbetriebe eine öffentliche Anstalt bleiben, die Konzession soll aber an Private verkauft werden. Was halten Sie davon?

Der Investor würde sich die Beschäftigten, die er gerade braucht, von den alten BWB ausleihen. Das überflüssige Personal aber bleibt bei der Anstalt und muß dort vom Staat als Überhangstellen weiterfinanziert werden. Dadurch entsteht ein öffentliches Defizit, was letztlich die Einnahmen aus der Konzessionsabgabe schmälert. Ich sehe keinen großen Vorteil.

Welches Verfahren schlagen Sie denn vor?

Zunächst müßte man zusehen, daß sich die Produktivität verbessert. Natürlich könnten die Wasserbetriebe effizienter und billiger arbeiten. Es sind ja auch schon erhebliche Einsparungen im Gange. Sehen Sie sich den Personalabbau an. Auf diese Weise könnte für das Land eine vernünftige Eigenkapitalverzinsung herauskommen, die die finanziellen Vorteile der Privatisierung und Konzessionsvergabe übersteigt. Interview: Hannes Koch

Dieter Vesper bearbeitet beim in Berlin ansässigen Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) den öffentlichen Sektor.