piwik no script img

Ein Fall für „,Bild‘ kämpft für Sie“

■ Auch bei dieser Geiselnahme sitzen Sie sicher in der ersten Reihe: „Mad City“, ein nur scheinbar brandheißer Film von Costa-Gavras, mit Dustin Hoffman und John Travolta

Der griechische Regisseur Constantin Costa-Gavras verkörpert mit seinen Filmen eine Art gutes Gewissen im Mainstream- und Kommerzkino unserer Zeit. Seine Filme behandeln das, was man gerne „heiße Eisen“ nennt: Er drehte Filme über die Obristen in Griechenland, über chilenische Regimegegner, die nach dem Pinochet-Putsch spurlos verschwanden, und über die Toskanisierung und Frustration ehemaliger 68er wie über die Schwierigkeit faschistischer Vergangenheitsbewältigung.

Trotz dieser unbequehmen Stoffe schaffte es Costa-Gavras immer, das Publikum durch Tempo, Action und Spannung bei Laune zu halten.

In seinem neuen Film „Mad City“ wird ein Thema verhandelt, das auf den ersten Blick ebenfalls brandheiß zu sein scheint: Es geht um die Manipulation von Wirklichkeit durch die Medien, in diesem Fall durchs Fernsehen. Ein Museumswärter, der seinen Job verloren hat, wird trotz schwerer Bewaffnung eher zufällig in eben diesem Museum zum Geiselnehmer. Dabei begleitet und angespornt wird er durch einen sich ebenfalls zufällig in dem Museum aufhaltenden Fernsehjournalisten. Der eine will eigentlich nur seinen Job zurück, der andere wittert die große Story, die ihn auf der Karriereleiter (wieder) nach oben trägt. Während diese Ziele die beiden innerhalb des Museums zu Leidensgefährten werden lassen, verselbständigt sich draußen im Mediengewitter die Geschichte. Ihre (vermeintliche) Wirklichkeit wird im Rennen um die höchsten Einschaltquoten kraß verzerrt.

Leider setzt der für seinen kritischen und unnachgiebigen Approach geschätzte Costa-Gravas in „Mad City“ nun ganz auf seine beiden Hauptdarsteller Dustin Hoffman und John Travolta und die sich zwischen beiden anbahnende Beziehung. Und ordnet sich damit ganz hollywoodtypisch den Erfordernissen unter, die die Kinokassen zum Klingeln bringen.

Anstatt seinen karrieregeilen Fernsehjournalisten Brackett (Dustin Hoffman) konsequent als Zyniker zu zeigen, ist dieser ein von moralischen Zweifeln geplagter Mann; einer, der schon einmal einen lukrativen Reporterjob verlor, weil er sich weigerte, einen Flugzeugabsturz nicht nur zu beschreiben, sondern auch dessen grauenvolle Folgen ins rechte Bild zu rücken: Vor laufender Kamera beschimpfte er deswegen seinen Chef und wurde kurzerhand in die Provinz nach Mad(eline) City versetzt. Wo er nun ein zweites Mal vom Saulus zum Paulus wird, dessen wahres Ich in Konflikt mit den Wirklichkeiten des Medienbetriebs kommt.

Doch der Museumswärter Sam Baily (John Travolta) macht es ihm leicht. Denn er ist – denkt man etwa an die beiden Gladbecker Geiselgangster Rösner und Lieber-tot-als-wie-ohne-Geld-Degowski, die, obwohl sicher nicht die hellsten ihrer Zunft, die Fernsehkameras zum Erreichen ihrer Ziele ganz gezielt einzusetzen wußten – ein wirklich armes und dummes Würstchen. Er weiß nur wenig mit der Macht umzugehen, die ihm durch die Kameras verliehen wird, er wird zunächst von Brackett, seiner plötzlich entstandenen Fangemeinde und dann von seinen Gegnern und den Fernsehgewaltigen nach Strich und Faden an der Nase herumgeführt.

John Travolta, der für diese Rolle anscheinend ordentlich an Gewicht zulegen mußte, spielt diesen Baily aber sehr überzeugend: leutselig, kinderlieb und gesegnet, mit mehr Kraft in den Muskeln als im Hirn, ein Mann wie geschaffen für „Bild kämpft für sie“.

Immerhin: Bei aller Rührseligkeit verhilft Costa-Gavras den Networks und der Fernsehnation am Ende zu ihrem hart umkämpften Recht in Form eines krachenden Showdowns. Die big beats müssen sein, denn schließlich will auch bei der nächsten Geiselnahme ein jeder wieder in der ersten Reihe sitzen. Gerrit Bartels

„Mad City“. Regie: Constatin Costa-Gavras. Buch: Tom Matthews. Mit Dustin Hoffman, John Travolta, Alan Alda, Mia Kirshner, Ted Levine und anderen. USA, 114 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen