Zeugen springen Pfarrer Geyer bei

Im Strafprozeß gegen den Pfarrer Klaus Geyer widersprechen Zeugen der staatsanwaltschaftlichen Tattheorie  ■ Aus Braunschweig Bascha Mika

Oberstaatsanwalt Ulrich Hennecke läßt sich nicht gern in die Parade fahren. Zeugen, die ihm nicht ins Konzept passen, nimmt er besonders hart ran. Das bekamen die Eheleute Gabriela und Olaf K. zu spüren, die gestern vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Braunschweig im Prozeß gegen den Pfarrer von Beienrode aussagten. Der evangelische Geistliche Klaus Geyer ist angeklagt, im Juli 1997 seine Frau erschlagen zu haben. Klaus Geyer beteuert seine Unschuld; er könnte nur aufgrund von Indizien verurteilt werden.

Das Ehepaar K., sie Journalistin, er Kameramann, will Veronika Geyer-Iwand am Samstag, den 26. Juli um die Mittagszeit am Braunschweiger Hauptbahnhof eine gute Viertelstunde beobachtet haben. Einen Tag zuvor war die Pastorenfrau verschwunden; ihre Leiche wurde am Montag, den 28. Juli gefunden. Die Frau sei ihnen aufgefallen, sagte das Ehepaar K. übereinstimmend, weil sie leicht verwirrt gewirkt habe, sich irritierend benahm, in Gesellschaft eines unangenehmen Mannes gewesen sei und trotz des warmen Wetters Gummistiefel getragen habe. Einige Tage später erkannten die K.s – so ihre Aussage – die Frau im Fernsehen und gingen zur Polizei. Doch die habe wenig Interesse an der Bahnhofsbeobachtung gezeigt. Im Laufe des Prozesses, sagten die beiden Zeugen, hätten sie sich aufgrund von Presseberichten erneut an die Ermittlungsbehörde gewandt. Die Staatanwaltschaft sei nicht zu erreichen gewesen, also hätten sie mit der Verteidigung gesprochen.

An diesem Punkt versuchten Oberstaatsanwalt Hennecke und Staatsanwältin Kirsten Serra de Oliveira, die Zeugen in ihrer Glaubwürdigkeit zu erschüttern. In welchem Fernsehsender genau hätten sie ein Bild des Opfers gesehen? Wann Sie denn, von wo und wie oft versucht hätten, die Staatsanwaltschaft zu unterrichten? Schnell und spürbar aggressiv kamen die Fragen. Doch an den Punkten, an dem Hennecke und Serra de Oliveira schon glaubten, Olaf K. bei einem Widerspruch ertappt zu haben, zuckte der nur mit den Schultern: „'tschuldigung, da kann ich mich nicht festlegen.“

Erinnerungslücken gab es schon bei anderen Zeugen. Doch nur beim Ehepaar K. bestand die Staatsanwaltschaft – zum ersten Mal in diesem Prozeß – auf einer Vereidigung. Der Grund scheint klar: Für den Freitag nachmittag, an dem seine Frau verschwand, hat der Angeklagte Klaus Geyer kein Alibi. Hat Veronika Geyer-Iwand noch am Samstag gelebt, fällt die Täter- und Tattheorie der Staatsanwaltschaft in sich zusammen. Außerdem erweckt die Aussage der K.s den Verdacht, die Polizei hätte nicht in alle Richtungen ermittelt. Wenig Eindeutiges konnte am gestrigen zehnten Verhandlungstag auch der Göttinger Rechtsmediziner Saternus liefern. Er widersprach der Theorie von Schweizer Gutachtern über die Art, wie die mutmaßliche Tatwaffe, ein Nageleisen, verwendet worden sein könnte. An dem Nageleisen, das im Auto der Toten gefunden worden war, waren weder Blut- noch Gewebespuren gefunden worden. Um diese Spuren zu vermeiden, hätte das Werkzeug zwar mit einer Plastiktüte umwickelt sein können. Doch Saternus hat Zweifel: „Daß das Nageleisen das Tatwerkzeug ist, ist möglich, aber nicht wahrscheinlich.“