Ameisengesang zu Gedankennestern

■ Ein subjektiver Rundgang durch die Jahresausstellung der Hochschule für bildende Künste

Girlanden mit dem Logo „EGAL“flattern lustig im Treppenhaus und begrüßen die Besucher der Jahresausstellung der Hochschule für bildende Künste. Solche Reste von No-Future-Pessimismus und nicht unberechtigtem Mißbehagen am Zustand des Hauses und der Gesellschaft, kommen trotz ernster Probleme um die Zukunft der Hochschule meist ironisch gebrochen daher. Dabei sind manche Gedanken vielleicht nur vorübergehend ent-sorgt und kommen in neuer Form mal wieder: Solange dient Karl Marx mit Rollen als Kinderspielzeug zum Reiten und die Kalaschnikow zum Billiardspielen, wie Silvana Toneva es in der Büttner-Klasse zeigt.

Vom schönen Sommer wurde die jährliche Leistungsschau der Hochschule letztes Jahr in die Karnevalszeit verlegt, doch trotz der unbezweifelten Fähigkeit zu feiern, sind hochseriöse Projekte zu entdecken. Besonders Stolz ist die Schule auf die aufwendige Kooperation mit der berühmten Architektin Zaha Hadid: Ihr Workshop befaßte sich mit der Adaption von Landschaftsformen anhand des Londoner Millenium-Projekts für die Greenwich-Peninsula. In Simulation einer Ausschreibung konnten die Studenten sich vor Ort mit den Gegebenheiten und Planungen vertraut machen, ihre Entwürfe füllen die ganze Aulavorhalle. Als Gipfel dieses ungewöhnlichen, privat mitfinanzierten Projekts läßt die Stararchitektin die Hamburger Arbeiten durch den externen Architekturkritiker Walter Nägeli begutachten, eine im Lehrbetrieb gänzlich ungewohnte Annäherung an die Praxis.

Dem traurigsten Verlust des letzten Jahres trägt Nina Lola Bachhuber Rechnung und präsentiert in einem eigenen Raum senkrechte Rollcontainer und fliegende Gedankennester als „Requiem für KP Brehmer“.

In einer Kunstszene ohne jede Stilvorschrift ist es angesagt, auf Zwischentöne zu hören. In seinem hervorragenden Projekt „Ameisengesang“voller fiktiver Wissenschaft und realen Reisen forscht Thomas Siegmann danach, wie das Bekannte in das Unbekannte eingeordnet werden kann oder umgekehrt und sucht nach jener „singenden Kommunikation, die in der Welt ist, ohne daß wir sie wahrnehmen“.

Untergründige oder manifeste Vernetzungen werden auf dem Rundgang immer wieder bearbeitet, seien es Martin Hamanns raumfüllende Fotowucherungen, Monika Grzymalas Raumbild aus lackgefüllten Schläuchen oder Arne Klaskala und Nandor Angstenberger, die wie außerirdische Lebensformen mit vierzig Kilometer (!) undefinierbar apricot-rosé-farbiger Wolle die halbe Helm-Klasse samt Einrichtung zugesponnen haben.

Vernetzung im Computer-Sinn ist ebenfalls zu finden: Der elektronische Salon „Xuppi“lädt zu „Formen symmetrischer Kommunikation, die den Perspektivenwechsel ermöglichen“. Und ein schöner Ort traditioneller Informationsaufnahme steht kurz vor seiner Wiedereinweihung: Die historische Bibliothek des Hauses wurde aufwendig wiederhergestellt.

Die „Freie Kunst“ist zwar der interessanteste und schwierigste Fachbereich, gute Arbeit leisten die eher angewandten Bereiche allemal. Hier braucht der Besucher für Vergleiche zwischen Aufgabenstellung und Realisation einige Zeit, kann sich dann an den Design-Objekten für „Noch schöneres Wohnen“erfreuen, knetbare Textilien und blinkende Abendkleider begutachten. Und auf eine Jahresausstellungstradition eigener Art ist unbedingt noch hinzuweisen: Zum 19ten Mal hat Wolfgang Opperman in seiner eigenen, kunstgeschichtsreflexiven Art, das Einladungsplakat entworfen. Hajo Schiff

Jahresausstellung HfbK: Lerchenfeld 2, sowie Dependancen: Wartenau 16 und Averhoffstr. 38, tägl. 11 – 19, Sa + So 12 – 16 Uhr, bis 1. März