„Drei Tritte in die Kniekehlen“

■ Die Mieter im Haus der Demokratie sind enttäuscht und verbittert. Vor der Entscheidung der Kommission zum Verkauf ihres Hauses haben die Bürgerrechtler wenig Hoffnung

Wut, Frustration und Enttäuschung im Haus in der Friedrichstraße 165. „Wir sind alle wie gelähmt. Was wird in der nächsten Zeit passieren? Die ganze Arbeit war doch dann sinnlos!“, erzählt Karolin Schubert vom Neuen Forum mit müder Stimme, „Das von uns erstellte Nutzungskonzept einer ,Stiftung Haus der Demokratie‘ können wir in den Papierkorb schmeißen.“ Die letzten Tage haben die Mitarbeiter der Stiftung viele Nerven gekostet. Es herrscht graue Stimmung. Das Gebäude ist bis auf wenige besetzte Büros menschenleer, nur der Hausmeister wischt einsam die engen, verwinkelten Flure. Wahrscheinlich umsonst.

Denn die Unabhängige Kommission für das DDR-Parteienvermögen (UK) traf gestern noch keine endgültige Entscheidung über den Verkauf des Hauses der Demokratie an den Deutschen Beamtenbund. Erst in sieben Wochen wird über das weitere Schicksal des Gebäudes entschieden. (siehe Seite 6)

Bis dahin heißt es für die Bürgerrechtler: Warten. Warten auf die abschließende Entscheidung. Die Anspannung zeigt sich auch in den zermürbten Gesichtern. „Es ist einfach ein Rausschmiß auf Raten. Wir sind nicht die einzigen, die hier rausgedrängt werden. Den Nachbarn im Nebenhaus trifft es genauso. Der muß auch raus“, erzählt Karolin Schubert. Sie sieht das Haus der Demokratie mit der berühmten Adresse Friedrichstraße 165 als Spekulationsobjekt. Schließlich besitzt der Beamtenbund bereits drei Häuser in der Friedrichstraße, das Haus der Demokratie soll die Reihe komplett machen.

Die gestrige Vorentscheidung der UK läßt einen Mittelweg offen: Wenn im Haus nicht die Beamten einziehen, sondern die noch zu gründende „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“, könnten die Bürgerrechtler zu Untermietern der Stiftung werden. Dabei ist gar nicht sicher, ob die bisher nur auf dem Papier existierende Stiftung in dem Haus an der Friedrichstraße überhaupt Platz hätte. „Für ein Archiv wäre doch bei uns auch gar kein Platz, die wollten eigentlich auch woanders hin, nach Lichtenberg. Die erfuhren erst jetzt, daß sie zu uns kommen sollten“, meint Karolin Schubert.

Klaus Wolfram, Leiter der Verhandlungsgruppe der Bürgerinitiativen, kommentiert verbittert das vorläufige Ergebnis der gestrigen Verhandlung: „Das sind drei Tritte in die Kniekehlen.“ Das schlimmste wäre zunächst, daß eine Zustiftung an die „Stiftung Haus der Demokratie“ nicht möglich ist: Das Geld von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur könne also nicht an die bereits bestehende Stiftung der Bürgerrechtler übertragen werden. Damit werde den Bürgerrechtlern jede Möglichkeit genommen, sich selbst zu verwalten. Denn über diese vier Millionen Mark zur Sanierung von Räumen könnten die DDR-Bürgerrechtler nicht verfügen. Und selbst können sie soviel Geld nicht aufbringen.

Die Entscheidung der UK gegen die Bürgerrechtler geht auf einen Vorschlag von ehemaligen Bürgerrechtlern zurück, heißt es im Haus. Ehemalige KollegInnen hätten den Alternativvorschlag zur Gründung der neuen Stiftung in Bonn unterbreitet, ohne ihren damaligen Mitstreitern davon zu berichten. „Da werden jetzt alte politische Konflikte ausgetragen“, befürchtet Wolfram. Auch das Verhalten der Unabhängigen Kommission werten die Bürgerrechtler als unfair. Anfang Februar noch hatte die Kommission zusammen mit ihnen nach einer Lösung gesucht. Nun, mit diesem Entwurf und der gestrigen Entscheidung, fühlen sich die ehemaligen DDR-Bürgerrechtler hintergangen. Markus Viehauser