Mußheirat auf dem Fußballfeld

■ Spandauer BC und Spandauer SV sollen aus wirtschaftlichen Gründen zum Fußballverein 1.FC Spandau fusionieren. "Ehe" stößt auf Mißtrauen und wird von juristischen Hakeleien begleitet

Eine Liebesheirat wäre es gewiß nicht, die die beiden führenden Fußballvereine an der Havel eingehen wollen. Aber die wirtschaftliche Vernunft, der ruinöse Wettlauf um die knapper werdenden Sponsorengelder zwingen den vornehmen „Schlipsverein“ Spandauer SV von 1894 und den 1906 gegründeten Proletenklub Spandauer BC in den Hafen der Ehe. „Ein Zusammenschluß hätte Signalwirkung für die Wirtschaft“, glaubt Werner Salomon, ein Fürsprecher der Elefantenhochzeit.

Bereits im April 1997 gründete der ehemalige Bezirksbürgermeister mit sechs wackeren Mitstreitern den Großklub 1. FC Spandau, dem zunächst Regionalligist SSV und Verbandsligist SBC beitreten wollen. Falls sich deren Mitglieder pro 1. FCS aussprechen sollten, könnten in ihrem Sog die restlichen elf Kickergilden der Havelstadt unter dem Dach des bisher nur auf dem Papier existierenden Supervereins eine neue Heimat finden.

Längst haben die Protagonisten SSV und SBC, die jeweils über 600 Mitglieder als Mitgift einbringen würden, ihre Geschäftsstellen am Sportplatz Ziegelhof zusammengelegt, mißtrauisch beargwöhnt von aufgeschreckten Traditionalisten im SBC, die gegen das angebliche Vormachtstreben des ruhmreicheren SSV zu Felde ziehen und jeden erdenklichen Grund nutzen, um eine Fusion zu torpedieren.

Daß die Opposition ausgerechnet vom Berliner Fußball-Verband (BFV) Auftrieb erhält, ist so unergründlich wie der Lauf des runden Leders. Zwar gibt sich BFV-Präsident Otto Höhne („Wir brauchen eine Bündelung der Kräfte“) in Sonntagsreden gerne als dogmatischer Fusions-Freund, doch in Sachen Spandau konterkariert er sich selbst.

Bezugnehmend auf Paragraph 3 der Spielordnung ordnete er an, daß die erste Mannschaft des projektierten 1. FCS zwar den gegenwärtigen Platz des SSV in der Regionalliga Nordost, der dritthöchsten deutschen Liga, einnehmen dürfe.

Aber der Haken an der Sache ist: Die Reservemannschaft des 1. FCS – die anstelle des SBC in der Verbandsliga, der höchsten Berliner Klasse (5. Liga), starten wollte – wurde vom BFV zum Neubeginn vier Etagen tiefer in die Kreisklasse B verbannt.

Seit diesem juristisch umstrittenen Beschluß herrscht eisiges Schweigen zwischen dem Verband und den Spandauern. „Mit dieser Ausgangslage brauche ich mich der Mitgliederversammlung erst gar nicht zu stellen“, schimpft SBC-Vorsitzender und Großklub- Mitbegründer Gerd Achterberg vor der entscheidenden Vereinssitzung am 6. März.

Voraussichtlich wird er den heiklen Punkt „Fusion“ wieder von der Tagesordnung streichen, denn einer Rückstufung ihres SBC in die unterste Stadtliga, während der SSV seine Klasse behaupten könnte, würden seine Schäfchen niemals zustimmen. So groß ist die Liebe der beiden Havel-Partner nun doch nicht.

Sportlich wäre dem Großklub 1. FCS mit dem Verbandsurteil ohnehin nicht gedient, denn eine neuntklassige Kreisliga-Reserve als Unterbau für die ambitionierte, unter halbprofessionellen Bedingungen spielende 1. Mannschaft wäre eine Farce.

Was tun? Liebäugelten die frustrierten Fusionisten von der oberen Havel zwischenzeitlich sogar mit der Abspaltung vom Berliner Verband, um sich dem liberaler gesonnenen Brandenburg anzuschließen, so wollen die Spandauer Koalitionäre ihren Strauß mit dem BFV nun bis zum (bitteren?) Ende ausfechten.

„Wir bestehen auf einen rechtsmittelfähigen Entscheid, um notfalls vor das Sportgericht zu ziehen“, erklärt Achterberg. Da aber der nächste Verbandstag erst im September über die Angelegenheit debattieren kann, würde der 1. FCS frühestens mit Beginn der Saison 1999/2000 an den Start gehen. Dann jedoch könnten bereits alle Messen gesungen sein, denn im Sommer 1999 beginnt die entscheidende Qualifikation zur neuen, zweigleisigen 3. Bundesliga, die sich der Spandauer Superverein als existentielles Ziel gesetzt hat. Jürgen Schulz