Fischer will nicht mehr taktieren

■ Beim Wahlkampfabschluß der Grünen in Niedersachsen stärkt Joschka Fischer das Selbstbewußtsein seiner Partei. Keine taktischen Rücksichten auf den SPD-Kandidaten Schröder

Hannover (taz) – Vor Taktierereien bei der Niedersachsenwahl am 1. März hat der Bonner Grünen-Fraktionsvorsitzende Joschka Fischer die Anhänger seiner Partei gewarnt. „Irgendwelche taktischen Rücksichten auf den niedersächsischen Ministerpräsidenten und automobilpolitischen Sprecher der SPD, Gerhard Schröder, gibt es nicht“, sagte Fischer vor 2.000 Zuhörern auf der Grünen-Wahlkampfabschlußveranstaltung am Montag abend in Hannover. In Niedersachsen würden die Grünen gegen die von Schröder geführte Landesregierung und für eine bessere Landespolitik kämpfen. Eine rot-grüne Koalition in Niedersachsen ist in den Augen von Fischer „der erste Schritt zu einer rot-grünen Koalition in Bonn nach der Bundestagswahl“. Mit Blick auf die Grünen-Anhänger, die Schröder für den angenehmeren SPD- Kanzlerkandidaten halten, warnte Fischer „vor dem Trugschluß, in Niedersachsen Gerhard Schröder zu unterstützen“. Für Rot-Grün komme es entscheidend auf die Stärke der Grünen an. Die Sozialdemokraten setzten auf einen Machtwechsel in Bonn, allein die Grünen wollten einen Politikwechsel. Das Wahljahr 1998 bezeichnete er als Zeit einer „historischen Umbruchsituation“. 1998 werde entschieden, ob die Rechte oder die Linke in der Bundesrepublik die Weichen für das Zeitalter der Globalisierung stelle. Dabei gehe es um die Entscheidung zwischen einem minderheitenfreundlichen, ökologisch und sozial erneuerten Rechtsstaat und einer neoliberal gewendeten Gesellschaft, in der Minderheiten ausgegrenzt und zu Sündenböcken gemacht werden sollten, so Fischer.

Bei einem Verlust der SPD- Mehrheit in Niedersachsen dürften für Schröder die Aussichten auf eine SPD-Kanzlerkandidatur sinken. In den Umfragen zeichnen sich kaum Veränderungen ab. Meist werden SPD und Grüne, die bei der letzten Wahl 44,3 bzw. 7,4 Prozent erzielten, kleine Zugewinne von jeweils bis zu 1,5 Prozentpunkten vorhergesagt. Andere Umfragen sehen leichte Stimmenzuwächse der CDU (1994: 36,4 Prozent) oder FDP, die 1994 mit 4,4 Prozent den Einzug ins Parlament verfehlte. Der Unsicherheitsfaktor aller Prognosen beträgt bis zu drei Prozentpunkte. Jürgen Voges