Hingerichtet, ausgeweidet und vermarktet

■ New Yorks Polizei verhaftet zwei Chinesen, die Organe von hingerichteten Gefangenen verkaufen wollten. Einer von ihnen war Staatsanwalt in China und will an zahlreichen Hinrichtungen teilgenommen haben

Berlin (taz) – Die US-Bundespolizei FBI hat in New York zwei Chinesen festgenommen, die versucht haben sollen, einem Undercover-Agenten die Organe von hingerichteten Gefangen zu verkaufen. Nach Angaben der New Yorker Staatsanwaltschaft von Montag abend hatte sich ein FBI-Agent gegenüber den beiden als Leiter einer Dialyseklinik ausgegeben. Er zeigte Interesse an den offerierten Organen, die nach Auskunft der beiden Chinesen von Exekutierten stammen.

Laut US-Staatsanwältin Mary Jo White hatte der am Freitag verhaftete 41jährige Cheng Yong Wang Papiere bei sich, die ihn als ehemaligen Staatsanwalt aus der südchinesischen Provinz Hainan auswiesen. Dem Agenten habe er von seiner Teilnahme an zahlreichen Hinrichtungen berichtet und dies durch ausführliche Schilderungen der Exekutionsmethoden in China untermauert. Dem Agenten offerierte er laut Anklage die Nieren Hingerichteter.

Zusammen mit dem 35jährigen Xingqi Fu, der im New Yorker Stadtteil Queens eine Wäscherei betreibt, soll Wang außerdem Augenhornhäute für 5.000 US-Dollar pro Paar für Transplantationen in den USA sowie Lebern, Lungen, Bauchspeicheldrüsen und Häute angeboten haben. Darüber hinaus hätten die beiden Verhafteten das Angebot gemacht, für amerikanische Patienten Organtransplantationen in China zu arrangieren. Mit dem Agenten seien sie eine Liste von Organen durchgegangen und hätten Preise vereinbart. Nieren sollten 20.000 und eine Leber 40.000 Dollar kosten. Dem Agenten hätten die beiden versichert, die angebotenen Lungen stammten garantiert von Nichtrauchern. Ferner sollen sie sich erkundigt haben, ob es bei Hauttransplantationen ein Höchstalter für die verwendete Haut gebe. Sie schienen damit offenbar versichern zu wollen, daß die angebotenen Häute von jungen Menschen stammen.

Fu wurde inzwischen gegen eine Kaution von 100.000 Dollar auf freien Fuß gesetzt. Der Haftprüfungstermin für Wang findet heute statt. Laut New York Times sei das FBI durch einen Hinweis des in den USA lebenden chinesischen Dissidenten Harry Wu auf die beiden mutmaßlichen Organhändler aufmerksam geworden. Der 60jährige Wu, der selbst 19 Jahre in chinesischen Arbeitslagern verbrachte, wirft den chinesischen Behörden seit langem vor, hingerichteten Gefangenen Organe zu entnehmen. Peking hat entsprechende Vorwürfe, die auch Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und Human Rights Watch seit mehreren Jahren erheben, bisher stets als antichinesische Propaganda zurückgewiesen. Peking räumte bisher nur ein, daß in der Volksrepublik in seltenen Einzelfällen und nur mit Zustimmung der Betroffenen Organe von Hingerichteten entnommen würden. Einen Handel mit Organen hat die chinesische Regierung stets dementiert. Sollte sich jetzt die Anklage als stichhaltig erweisen, wäre der langjährige Verdacht des Handels mit Organen hingerichteter Gefangenen erstmalig gerichtlich bewiesen.

Harry Wu sagte in einem Interview, er habe heimlich ein Treffen mit Wang am 13. Februar gefilmt und dabei von diesem Angebote für Organe erhalten. Außerdem habe Wang angeboten, ihm Zugang zu den Organen von 50 der jährlich rund 200 in Hainan hingerichteten Gefangenen zu verschaffen. Den Preis für eine Nierentransplantation in China habe Wang mit nur 20.000 bis 30.000 Dollar angegeben, weit weniger, als dies in den USA kostet. Nach Angaben der Washington Post warten in den USA 38.000 Patienten auf eine Spenderniere und 9.800 auf eine Leber.

Wang und Fu wird von der US-Staatsanwaltschaft nun vorgeworfen, an einer „Verschwörung zum Verkauf menschlicher Organe“ beteiligt zu sein. Ihnen droht eine Geldstrafe von 250.000 US-Dollar und Gefängnis von bis zu fünf Jahren. „Mit menschlichen Organen Geschäfte zu machen ist ein makabres, kriminelles Verhalten“, kommentierte Staatsanwältin White. Die Regierung in Peking stritt gestern erneut ab, am Verkauf von Organen beteiligt zu sein. Ein solcher Handel sei in China ausgeschlossen und würde von den Behörden bestraft, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Sven Hansen

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