Der Betbruder

■ Es gibt viele Menschen, die halten Gary Barlow für den besten und schönsten der verbliebenen Take-That-Trias

Jetzt ist also wieder alles beim alten. Jetzt wissen wir, wer der schönste und beste der verbliebenen Take-That-Trias ist: Gary Barlow. Die anderen mußten vorlegen, sozusagen aus dem Nichts hinein ins Nichts. Die anderen sind der harmlose Mark Owen und vor allem Robbie Williams, der Ende letzten Jahres mit seiner markttauglichen Mixtur aus BritRock, Mutterliebe und Klassenclownerie sämtliche Medienherzen eroberte. Die beiden mußten zeigen, daß sie mehr können, außer klasse auszusehen und entsprechend zu tanzen.

Barlows Verständnis von Pop hat sich auch drei Jahre nach der wichtigsten aller Boygroup-Trennungen nicht geändert. Es geht um das Ziel, nicht um den Weg dahin. Am Anfang von Take That mag er noch wie eine schlecht getimte Tanzmarionette über die Bretter gedüst sein, und damals waren auch die Songs entsprechend simpel angelegt. Aber spätestens seit dem Durchbruch-Hit „Pray“im Sommer 1993 war klar, worum es Barlow in seiner Karriere und seiner Koordination als Künstler wirklich ging. Gar nicht mal so tief wie bei Boygroups allgemein vermutet, drängelte sich im Herzen des Mittzwanzigers der Songwriter und Ausdruckssänger nach draußen.

Take That waren neben ihrer Funktion als boomende Pop-Aktie auch ein effektives Songgespann aus gut gewählten Coverversionen und durcharrangierten Eigenkompositionen. Und die stammten fast ausschließlich aus Barlows Feder. Nur ein halbes Jahr nach dem Split meldete sich Barlow als erster mit einer Solo-Single aus dem personellen Scherbenhaufen zurück. Wahrlich: „Forever Love“war mehr als nur ein Comeback nach erfolgreicher Genesung. Nach außen hin mindestens so schmalzig wie Barry Manilow in seinen größten Zeiten, sang Barlow so, als fühlte er sich gänzlich ungestört und gab entsprechend alles. Da wurde nicht für eine Sekunde mit den Augen gezwinkert – so wie es ein Robbie Williams 24 Stunden am Tag tut. Und Gary Barlow würde, auch das wurde klar, im Traum nicht die Ernsthaftigkeit seiner Texte in Frage stellen.

Nach „Forever Love“und dem dazugehörigen Album Open Road muß die Geschichte der Boygroup zwar nicht neu, aber anders geschrieben werden. Denn es gibt das Leben nach der Boygroup – auch wenn es mal gut fünf Balladen zu lang ausfällt. Für Barlow wird nicht die Illusionskraft seiner Songs zum Gegenstand erklärt – und schon gar nicht zur Karrikatur ihrer selbst erhoben. Pop bedeutet für den Briten vielmehr die Beziehung von Beruf und Berufung. Mysterien wie das der ewigen Freundschaft werden genauso professionell und kalkuliert behandelt wie die Liebe als solche. Klar, beides mag existieren, aber das beste ist: Man kann ein Lied darüber schreiben. Und so lange das so ist, gibt es auch keinen Grund, nicht weiter zu machen. So gesehen verbindet Gary Barlow die Zurückhaltung des süßen Mark Owen mit der krakeelenden Offensive von Robbie Williams. Guter Mann.

Oliver Rohlf

Do, 26. Februar, 20 Uhr, Große Freiheit

Das Konzert ist natürlich ausverkauft.