Zicke mit Sushifingern

■ Fast am Ende des Für-umsonst-Monats: Bridgeland 2, ein schwer einzuordnendes Ein-Personen-Stück der Berlinerin Bridge Markland im Jungen Theater in Bremen

Der Für-umsonst-Monat des Jungen Theaters geht zu Ende. „Super ist er gelaufen“, meint ein Theatermann und schiebt sich genüßlich ein schwarzes Dreieck in den Mund. Es soll sich dabei um ein Stück Apfelkuchen handeln und ist eine der vielen freiwilligen Spenden der Theaterbesucher. Die anderen stehen auf dem Büroregal: Reisbrot, Chips, eine Puppe und ein Päckchen schwarzer Tee mit dem symbolischen Namen Sonnenaufgang. Überlebenszeug, wie aus Großtantes Weihnachtspäckchen. Gebet, so wird euch gegeben werden, heißt es in der Bibel. Der glaubt heute kein nüchterner Mensch mehr. Aber Theaterarbeit macht bekanntlich besoffen und gut. Und so haben einige (allerdings wenige) Gäste 50- und 100-Markscheine dagelassen. Auf einen normalen Monatsschnitt kommt das Theater zwar diesen Februar nicht, aber fast. Es gibt also doch noch ein richtiges Leben im falschen.

Das meint wohl auch Bridge Markland. Die stemmt in ihrem Solotheaterstück – sie selbst nennt's Grotesktanz-Performance – „Bridgeland 2“die Gender-Debatte auf die kahle Bühne. Kahl ist auch Marklands Schädel. Und so haben bestens die Perücken Platz für die Visualisierung der Rollenmuster, die innerhalb des nackten Schädels herumschwirren.

Die Grundstruktur des seit vier Jahren wachsenden work in progress ist schulfunkplakativ: Dummtussi, Dummmacho und dann – das richtige Leben – ein androgynes Wesen, das sich endlich jenseits von Floskeln bewegen kann. Und träumen. Mal ist das Stück dreiviertel gelungenes Kabarett, mal dreiviertel gelungene erotische Fantasie, mal überflüssiges Spiel mit bemitleidenswerten Exemplaren des Publikums (abschlecken; auf den Schoß springen...), in der Summe aber fast grandios. Addieren geht in der Kunst eben anders als im Mathebuch.

Marklands Texte sind zweisprachig wie ein Englisch-Grundkurs auf Kassette. Oh, Gott. Oh, god. Ein genialer Kunstgriff. A marvelous trick. Der Fluß des falschen Lebens, Teil 1, aber auch des richtigen Lebens, Teil 2, wird unterbrochen, verfremdet, verlangsamt, sediert. The flow of the wrong life and the right one gets disturbed. In der Zerstückelung erhält jeder Satz mehr Gewicht. More weight.

Selbst bei Macho-O-Ton-Einspielungen aus dem Off wird nicht auf Übersetzungshilfe verzichtet. Die Schauspielerin nutzt den O-Ton zu kabarettistischen Karaoke-Einlagen. Den dummen, doch sympathischen Männerstimmen gibt sie einen unsympathischen, doch witzigen Körper. Sie pumpt Luft aus dem Bauch in den Brustkorb und stemmt fiktive Gewichte. Ihre Vorstellungen von Rollenklischees sind klischeehaft und trotzdem durchaus freundlich. Nach dem Stück bittet die Kommunikationslüsterne das Publikum zum Gespräch. Da erzählt sie von ihrer ambivalenten Einstellung: Einerseits verachtet sie Rollenzuweisungen, andererseits macht es ihr höllischen Spaß, sie auf der Bühne darzustellen. Auch ihre eigenen Fantasien zu zeigen macht ihr Spaß. Den Zuschauern zu Leibe zurücken sowieso. „Bridgeland 2“ist das egomane Werk einer mutigen, verspielten Frau, unberührt von den gegenseitigen Kontrollmechanismen im Gruppentheater. Deshalb ist das Stück in einigen Punkten angreifbar, aber beeindruckend. Beeindruckender als eine solide Horvath-Inszenierung beim Großen Bruder eine Straße weiter. Ein Abend, an dem man die Unverzichtbarkeit des Jungen Theaters spürt. Auch wenn Markland am Ende bitter enttäuscht: die vermeintlichen O-Töne sind Betrug, launige Spielereien guter Freunde in New York. Zum Trost erfindet sie wunderschöne Komplimente für Zicken: Sie haben indische Hälse und Finger, so delikat wie Sushihappen. Barbara Kern

Die letzten Umsonst-Aufführungen: 27./28.2, 19.30h, „Leviathan – Der Auftrag“von Dea Loher und Heiner Müller