Kommentar
: Kanonen auf Spatzen

■ Grundrecht gilt wenig – in Bremen

Gerade einmal drei Wochen ist es her, daß sich der Justizsenator Bremens, Bürgermeister Henning Scherf (SPD), anschickte, die Grundrechte der Bürger dieses Landes zu retten. Er werde dem Großen Lauschangriff nicht zustimmen, kündigte Scherf vollmundig an, um dann der Grundgesetzänderung doch zur Mehrheit zu verhelfen.

Während Scherf große Reden schwingt, durchsucht die Bremer Staatsanwaltschaft, deren Dienstherr Scherf ist, am laufenden Meter Privatwohnungen aus nichtigen Anlässen. Die Anschrift eines umstrittenen Wissenschaftlers auf einem Flugblatt zu veröffentlichen ist nicht strafbar, der Affenforscher steht im Telefonbuch. „Bleiben Sie höflich! Sonst kommen Sie nicht weiter“, mahnen die Autoren ausdrücklich. Was soll da ein Strafverfahren? Die Flugblattschreiber müssen schließlich nicht mit den Drohbriefschreibern identisch sein. Außerdem ist jeder Mensch für sein Handeln selbst verantwortlich. Auch der AStA wird durchsucht, Begründung: Der Arbeitskreis könnte dort an dem Flugblatt gearbeitet haben.

Das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt in Bremen wenig. Die Staatsanwaltschaft schießt mit Kanonen auf Spatzen – und Scherf, der Justizsenator sieht zu. Formal hat er keine Möglichkeit, den Staatsanwälten Vorschriften zu machen. Aber es sieht schlecht aus, wenn man in die große Welt hinausposaunt und nicht vor seiner eigenen Haustür kehrt. Kerstin Schneider