Am Sabbat sollst du bei der Familie sein

Israels aufstrebende Fußball-Liga soll künftig nicht mehr am Feiertag spielen. Die Klubs sind einverstanden. Sie hoffen durch einen Deal mit orthodoxen Parteien die der Europäisierung gefolgte Finanzkrise zu bewältigen  ■ Von Martin Krauß

Yossi Sarid ist ratlos. „Wer bin ich denn, daß ich jemand vorschreibe, er solle gefälligst am Sabbat spielen“, sagt der Vorsitzende des linken Meretz-Blocks zur neuesten Entwicklung im israelischen Fußball. Der Fußballverband wurde von drei orthodoxen Parteien gedrängt, dafür zu sorgen, daß die Ligaspiele künftig nicht mehr am Sabbat stattfinden, und Verband wie Vereine stimmten zu.

„Ich habe kein Problem damit, die Spiele künftig in der Wochenmitte auszutragen“, erklärt Mosche Teomin, einer der Besitzer von Hapoel Tel Aviv, „wenn die Meinungsforscher herausfinden, daß der Andrang wachsen wird.“

Der Sabbat dauert vom freitäglichen bis zum samstäglichen Sonnenuntergang und ist in Israel, das immer noch eine Sechstagewoche hat, der einzige regelmäßige Feiertag. Ob die Zuschauerzahlen am Samstagabend, am Sonntag oder in der Wochenmitte wirklich ansteigen werden, wird zur Zeit untersucht. „Wir glauben, daß die Studie zeigen wird, daß die Fans Spiele am Sonntagabend bevorzugen“, sagt Tamir Gilat, Vorsitzender von Maccabi Tel Aviv, „so können sie den Sabbat mit ihren Familien verbringen.“

Die Studie, die im Auftrag des Verbandes erstellt wird, ist „Teil eines Handels mit den ultraorthodoxen Parteien“, wie die linksliberale Tageszeitung Ha'arez schreibt, die den in Geheimverhandlungen ausgetüftelten Plan aufdeckte. Die konservative Jerusalem Post berichtet gar von „beträchtlichen Summen Geldes“, die die religiösen Parteien Schas und Agudat Israel den Vereinen angeboten haben. Die willigten zunächst mal ein, eine Marktstudie durchzuführen, und sie hoffen, daß sie einem Konflikt mit den Orthodoxen so aus dem Wege gehen können. Der andere Profisport in Israel, der Basketball, spielt schon seit Jahren nur an Werktagen und ist damit recht erfolgreich.

Auch der Fußball, vorher wenig professionell, hat seit Anfang der neunziger Jahre einen Boom erlebt, den man sich nicht kaputtmachen lassen möchte. Ein Agreement mit Vertretern orthodoxer Richtungen ist den Vereinen in jedem Fall lieber als die offene Konfrontation. Die hatte man nämlich 1989 schon einmal, als der damalige Innenminister Arieh Deri, heute für die Schas-Partei in der Knesset, sich monatelang weigerte, dem Bau eines modernen Fußballstadions in Jerusalem zuzustimmen. Fußball schade der jüdischen Seele, wurde der orthodoxe Politiker damals zitiert.

Mittlerweile steht das Teddy- Stadion, benannt nach dem langjährigen Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek. Es ist der Heimspielort für Hapoel Jerusalem und Betar Jerusalem. Zu einem Derby im Teddy kommen 12.000 Menschen, die, stärker als im europäischen Fußball, aus unterschiedlichen politischen Lagern sind.

Hapoel (hebräisch: Der Arbeiter) ist der große 1926 gegründete jüdische Arbeitersportverband, Betar hingegen ist nur ein kleiner Sportverband, der von rechten Parteien finanziert wird. Zwar haben die Verbände im Profifußball nicht mehr soviel zu sagen, die Vereine gehören nach amerikanischem Prinzip Klubbesitzern, aber die Herkunft bestimmt immer noch das Fanpotential.

Den Klubs erscheint der Vorschlag der orthodoxen Parteien eine Möglichkeit, auch orthodoxere Fans, die am Sabbat nicht ins Stadion gehen, zu ihren Spielen zu locken. Damit könnten sie auch ihre jüngste Finanzkrise bewältigen, die einem internationalen Aufschwung folgte.

Nur knapp verpaßte das Nationalteam die Qualifikation für die EM 1996 und die WM in diesem Jahr, aber man schlug immerhin Frankreich, Rußland und Bulgarien. Doch dieser Erfolg, der sich einstellt, seit das asiatische Land zum europäischen Dachverband UEFA gehört, hat auch dem europäischen Fußballfinanzgebahren Tür und Tor geöffnet. Hapoel Beer-Scheva holte mit Mario Di Constanza den ersten italienischen Profi ins Land, Maccabi Haifa kaufte den israelischen Nationalspieler Jitzhak Zohar vom englischen Premier-League-Klub Crystal Palace zurück, während Lokalkonkurrent Hapoel Ronen Harazi holte, der vom spanischen Erstligisten Salamanca kam.

Diese Bewegung auf dem Transfermarkt kostet viel Geld, und da Israel zwar zur UEFA gehört, aber politisch nicht zur EU, konnten die Klubbesitzer eine Lücke nutzen, die nach dem Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs 1996 aufgetreten war. Die Spielergehälter waren im Vergleich zu Europa niedrig, die Ablösesummen, die auch nach Vertragsende an die Vereine gingen, recht hoch.

Doch auch damit wird bald Schluß sein. Ein Gesetz, das ein linker Meretz-Abgeordneter in die Knesset einbrachte und dort glatt die erste Lesung passierte, hat das israelische Recht der Post-Bosman-Praxis in Europa angepaßt. Das freut die Spieler, deren Gewerkschaft das Gesetz mit ausgetüftelt hat. Michel Dayan, Mittelfeldspieler von Hapoel Jerusalem, sagte der Jerusalem Post: „Junge Spieler werden nun nicht länger von ihren Klubs versklavt oder gezwungen, gegen ihren Willen irgendwohin zu wechseln.“

Die Vereine sind indes empört. Yaakov Shahar, Besitzer von Maccabi Haifa, ist außer sich: „Wir werden gewiß keine Gesetze dieser Art erlauben. Wenn uns das nicht gelingt, werden wir einfach verschwinden, und der Fußball wird wieder zu dem werden, was er war.“ Auf ihrer doppelten Suche sowohl nach neuen Einnahmequellen als auch nach Bündnispartnern im Parlament, die bereit wären, das Gesetz bei einer noch nicht terminierten zweiten und dritten Lesung durchfallen zu lassen, kommt den Klubbesitzern nun das Angebot der religiösen Parteien gerade recht.