■ Israel: Der Rücktritt des Mossad-Chefs löst keine Probleme
: Politisches Bauernopfer

Der Mossad, Israels berüchtigter und gefürchteter Auslandsgeheimdienst, steckt in einer tiefen Krise. Es sind interne Rivalitäten und fehlgeschlagene Aktionen, die das Renommee des Mossad angekratzt haben. In den 70er Jahren machte er sich mit der Ermordung palästinensischer Führer einen Namen. Zuletzt erfolgreich war der Geheimdienst mit dem Mord an Abu Dschihad, dem „Vater der Intifada“. Seither ist der Stern des Mossad im Sinken begriffen.

Die Maschaal-Affäre hat jedoch nicht nur die Schwächen des Geheimdienstes bloßgelegt. Schwerer wiegt, daß die israelische Regierung weiterhin offiziell Mordpläne gegen politische Gegner verfolgt und durchführt. Ein israelischer Ministerpräsident, der an der Spitze eines demokratischen Staates steht und gleichzeitig die Ermordung politischer Gegner absegnet, ist zumindest für westliche Moralvorstellungen nicht akzeptabel. Gleichwohl steht Netanjahu zu dieser politischen Verantwortung. Wie läßt sich gegen die Selbstmordanschläge von Hamas argumentieren, wenn ein Ministerpräsident persönlich Mordpläne gegen politische Gegner billigt? Erschreckend auch, daß nicht der Ministerpräsident, sondern der Geheimdienstchef zum politischen Bauernopfer für den mißlungenen Anschlag gemacht wurde.

Netanjahu hat mit dem Mordklompott in der jordanischen Hauptstadt nicht nur die Beziehungen zu König Hussein untergraben. Er hat der Hamas, wenn auch ungewollt, Legitimität für ihre Operationen verliehen, ganz nach dem biblischen Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Und damit offengelegt, daß sein Sinn nicht nach Frieden steht, sondern nach Sieg, und das in militärischem Sinne.

Die Morde des Mossad an führenden Palästinensern gehören zum traurigen Kapitel der Nahostgeschichte. Es gibt in der Tat keine vergleichbaren Attentate von palästinensischer Seite, sei es auf Scharon, Begin, Schamir oder Eitan. An deren Händen aber klebt mehr palästinensisches Blut als israelisches an den Händen von Arafat. Es ist die israelische Selbstgerechtigkeit, die den Blick für die Wirklichkeit verstellt. Bombenwerfen auf arabische Märkte war in den 30er und 40er Jahren eine Spezialität der israelischen Terrororganisation Irgun unter Führung Menachem Begins. Was wäre, wenn Scheich Ahmed Yassin die Billigung der Selbstmordanschläge von Hamas durch die PLO-Führung forderte? Oder Arafat die Hamas schlicht zum Mossad der Palästinenser erklärt? Vielleicht hat er das ja längst gemacht, und wir wissen es nur noch nicht. Georg Baltissen