Europa verschiebt BSE-Risiko

Verkauf und Verwendung von sogenanntem BSE-Risikomaterial wird doch nicht EU-weit verboten. Deutschland hofft als „BSE-frei“ eingestuft zu werden  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die EU-Kommission hat das seit einem Jahr geforderte Verbot von BSE-Risikomaterial zum einen auf den 1. Juli verschoben. Zum anderen sollen EU-Länder davon ausgenommen werden, die sich selbst als BSE-frei betrachten. Deutschland hofft jetzt, als BSE- freies Land eingestuft zu werden, um strengere Verbraucherschutzmaßnahmen vermeiden zu können. Unter BSE-Risikomaterialien fallen Rinderhirn, Rückenmark, Gelatine und die meisten Innereien, die nach Ansicht des wissenschaftlichen EU-Ausschusses besonders geeignet sind, den BSE- Erreger zu übertragen. Seit britische Wissenschaftler Ende 1997 den Erreger auch in Gedärmen und im Rückenmark BSE-kranker Tiere fanden, wurde die Risikoliste um diese Teile erweitert.

In einigen EU-Ländern, in Frankreich etwa, müssen diese Risikomaterialien schon seit Monaten in den Schlachthöfen ausgesondert und vernichtet werden. Eine EU-weite Regelung aber scheiterte immer wieder am Widerstand von Regierungen, die in ihren Ländern keine BSE-Gefahren sehen. Finnland zum Beispiel hat nie Tiermehl importiert und bisher auch noch kein BSE-Rind aus der Nähe gesehen. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert wehrte sich verbissen, weil bisher kein in Deutschland geborenes Tier an Rinderwahnsinn erkrankt sei. Ein Verkaufsverbot für Hirn und Innereien sei deshalb unangemessen. Fast ein Jahr lang hat die EU-Kommission, die für die Unbedenklichkeit landwirtschaftlicher Produkte in der EU die Verantwortung trägt, an einer Richtlinie zum generellen Verbot von Risikomaterialen herumgedoktert. Nachdem der ständige Veterinärausschuß die Richtlinie vorigen November zurückwies, hätte die Kommission nach den komplizierten Regeln der EU das Verbot von sich aus verhängen können. Doch davor schreckte sie offensichtlich zurück. Die Kosten für die EU und die Einkommensverluste der Bauern von zusammen rund 1,6 Milliarden Mark stünden in keinem Verhältnis zum geringen Risiko, meinte ein EU- Beamter. Deshalb will die Kommission das Verbot nur für Länder mit erheblichem BSE-Risiko verhängen. Allerdings müssen Länder wie Deutschland bis 30. Juni nachweisen, daß sie BSE-frei sind.