Ernst Jünger lebt: Brei auf Stelzen marschiert weiter! Von Wiglaf Droste

Als Ernst Jünger am 17.Februar 1998 für immer die Löffel abgab, machte er sich damit gerade in Deutschland keine Freunde: Seinetwegen fiel eine Folge der beliebten britischen Fernsehkrimiserie „Für alle Fälle Fitz“ aus, und nicht wenige Deutsche murrten und kreideten Jünger sein schlechtes Todestags-Timing böse an.

Dann aber wurde es furchtbar: Die Nachrufe stapelten sich, und fast alle waren sie halbseiden. Aus einem gleichermaßen kopf- wie arschlosen Feuilletonismus, aus politischer und ästhetischer Entschlußlosigkeit, die man auch simpel Feigheit nennen kann und die sich im Fall Jünger als Pietät schminkte, traute sich beinahe niemand heraus: Hellmuth Karasek, die Qualle, nannte Jünger postum sogar völlig balla-balla „einen angenehmen Zeitgenossen“, und auch sonst mochte – mit Ausnahme von Gerhard Henschel in der jungen Welt – niemand dem arielweißen Knäckerkopf Jünger wenigstens nachträglich das vor die morschen Knochen hauen, was er sich zeitlebens am allermeisten verdient hatte: den Beweis, daß er, vor allem anderen, ein erbärmlich schlechter, weil vollverkitschter Schriftsteller war.

Dabei wäre es ganz einfach gewesen: Man hätte nur ein Standardwerk kennen müssen, Karlheinz Deschners literarische Streitschrift „Kitsch, Konvention und Kunst“ von 1957. Deschner, heute vor allem als harscher Kirchenkritiker bekannt, nahm sich damals zeitgenössische Literaten zur Brust: Hermann Hesses beim Publikum sehr erfolgreiche Schreibereien etwa stufte er ebenso polemisch wie unterhaltsam und zutreffend als „sirupartig“ ein, und auch für Ernst Jüngers Prosa fand Deschner nach langer, genauer Analyse die richtigen Worte: „Brei auf Stelzen“. Das Urteil trifft Jüngers Schriftstellerei im Kern: Im Hohen Ton Banalitäten, zuweilen auch solche der eher widerwärtigen Art, aufsagen – das war Ernst Jüngers Geschäft.

Genausowenig aber, wie das Lob von geistigen Tieffliegern wie Helmut Kohl, Roman Herzog und ihren Journalisten gegen Jünger spricht, ist der Protest gegen Jünger von nicht minder geistfernen Gestalten ein Indiz für Jünger: Jutta Ditfurth, die bereits 1982 gegen die Frankfurter Goethe-Preis- Verleihung an Jünger heftig gedampfwalzt hatte, entblößte in ihrem Nachruf auf Jünger abermals ihren rein moralischen Impetus: „Er ist einer der Wegbereiter des NS-Faschismus“, schrieb sie und behauptete weiter: „Der weitgehend unkritische Jubel um seine Person verhöhnt auf das widerwärtigste alle Opfer des Faschismus.“ Denn so war und ist es bei Jutta Ditfurth: Die ureigene Beschränktheit dieser Frau haben schon immer die von den Nazis Ermordeten legitimieren müssen.

Um Mangel an Nachfolgern für Jünger muß man sich nicht sorgen; solche wie ihn gibt's im Dutzend. Schlange stehen bereits Hans Jürgen Syberberg, der noch 1990 von der Entscheidungskraft der SS- Leute an der Rampe von Auschwitz schwärmte, und Botho Strauss, der singende Brandenburger Bock, der das höhere Faseln ebenso beherrscht. Und nicht zuletzt Jutta Ditfurth, die Ernst Jünger so gerne bekämpfen möchte und ihm dabei so ähnlich wird: Ist es nicht lustig, wie sich ausgerechnet die extrem schreibtischkriegerische Jutta Ditfurth an dem Schreibtischkrieger Jünger reibt?