Käse, Hanfhüte und grüne Algenpillen

■ In Frankfurt wurde Europas größte Öko-Messe mit Ausstellern aus 53 Ländern eröffnet

Frankfurt/Main (taz) – Auch die bewußteste Verbraucherin lernt bei der alljährlichen Öko-Messe „Bio Fach“ noch dazu. Durch das, was nicht drin ist in den ökologisch angebauten und produzierten Lebensmitteln, lernt sie, daß die ganz gewöhnliche Kneipe vermutlich das pure Gift ausschenkt. Öko- Bier wirbt mit dem „ohne“: kein Hopfenextrakt, kein Hopfenpulver, weder Nitrat noch Chlor, hergestellt ohne Trockenhefe und Schwefel, ohne Klärhilfs- und Schönungsmittel.

Die Bierbrauer aus dem bayerischen Neumarkt bieten in diesem Jahr auf dem Messegelände in Frankfurt am Main außerdem eine alkoholfreie Neuheit an, die leicht medizinisch riecht und bittersüß schmeckt. Die Limonade nennt sich „Cola“, ist aus Brunnenwasser, Fruchtsäften, Karamel und Honig gebraut. Noch mehr trinkbarer Honig ist in einem „lebendigen Getränk mit hohem Enzymgehalt“ der Firma Geist, fermentiert mit lebenden Bakterien, optimiert durch Tachyon-Energie und Orchideenessenzen. Das ist, was immer es sonst sein mag, nicht nur sehr gesund, sondern auch sehr teuer: Zehn bis zwölf Mark kostet die Flasche im Handel.

Schön an der „Bio Fach“ ist auch, daß niemand beim Trinken hungern muß. Die über 1.267 Aussteller aus 53 Ländern fahren zur größten europäischen Messe für Konsumgüter so üppig auf, daß sich die Theken biegen. 25.000 BesucherInnen werden erwartet. Sie bekommen vor allem Käse – Kochkäse aus Thüringen, Schimmelkäse aus Sachsen, Edamer, Parmesan. Alle in Winzhäppchen portioniert und am Zahnstocher serviert. Und jede Menge Zahnstocherabfallbehälter: „Hier hinein, bitte!“

Die Käsesorten sind gut, die Würste hervorragend, keine Engpässe, jede Menge Qualitätsprodukte, die sich dem Markt und dem Geschmack der Kunden angepaßt haben. Zwischen zwei und drei Millarden Mark werden jährlich bundesweit mit Öko-Lebensmitteln umgesetzt. Das größte Kontingent ausländischer Anbieter kommt auch in diesem Jahr wieder aus Italien, vor allem von Wein- und Obstanbaukooperativen.

Renner der Messe aber ist der Hanf. Hanf überall, in Jacketts und Hosen, Hüten, Wollmützen und Haßkappen. Und auf dem Nudelteller garantiert rauschfreie Rasta Pasta, Salatöl, Knabbersamen, Müsli, Plätzchen, Hanfnußschokolade und Hanfpralines. Draußen steht ein junger Franzose, raucht den nachwachsenden Rohstoff und sagt: „Verstehe isch nischt, diese Nischtrauchärverbot überall in Deutschland.“ Neben ihm zieht ein Handelsvertreter am herkömmlichen Tabakprodukt und murrt: „Nix mit Gesundheit! Ich will hier Geschäfte machen!“

Das könnte er auch mit jeder Menge wundersamer Waren. Zum Beispiel mit dem Ökotensor mit vergoldeter Antenne zum Aufspüren von Umweltgiften in Reise- und Normalausführung. Und mit den Minibrustwarzenschützern aus Silber für stillende Mütter, die antiseptisch und heilend wirken sollen. Heilen sollten eigentlich auch die Spirulina-Tabletten aus blaugrünen Algen. Sie werden in Hawaii angebaut, in Arizona gepreßt und sollen der Fotosynthese in Umwelt und auch im Essenden dienen und zerfallen wie Kohlekompretten. Bei der Testesserin riefen sie Übelkeit hervor.

Die „37. Bio Fach“ verzeichnete diesmal kaum einen Ausstellerzuwachs. Das liege, so die Veranstalter, an Terminschwierigkeiten und an den hohen Hotelpreisen am Main. Vor allem kleine Anbieter aus der Bundesrepublik blieben weg. Diese ließen wiederum wissen, daß sie gezwungen werden sollten, zu große Standflächen zu belegen. Außerdem wollen viele Bekleidungshersteller künftig nur noch auf Textil-Fachmessen ausstellen. Die ökologische Fachmesse „Bio Fach“ dauert noch bis zum Sonntag. Im kommenden Jahr wird sie in Nürnberg ausgerichtet. Heide Platen