Und der Guildo, der fährt

■ Guildo Horn, der Erfinder des falschen „wahren Grand Prix“, obsiegte in Bremen in der Vorauswahl in der Stadthalle, denn richtige Schlager gibt es nur noch im Fernsehen

Warten auf Guildo. Der Grand Prix Countdown 1998 ist abgedreht. Die örtliche Presse hebt hanseatisch die Augenbraue, während Hunderte angereister Boulevard-KollegInnen die Gänge zwischen den Garderoben der Stars verstopfen. „Sharon“, „Köpenick“, „Wind“(mit zumindest einem Mitglied der Urbesetzung) und der Captain Jack-Verschnitt „Ballhouse“werden rumgeschubst und allenfalls bemitleidet. Es gibt nur noch IHN. Den Meister.

Im Saal tobt noch immer der Mob des Meisters. Der liegt unter Mikrophonen und Kameras begraben am Boden. Die Stadthalle hat inzwischen jede Kartenkontrolle aufgegeben. Draußen entrollen Vertreter der „Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands“große Transparente mit dem Bild des großen Menschenaffen und dem Slogan „Dumm, aber glücklich“.

Guildo Horn, Pogo-Anarchist ehrenhalber, ein 54jähriger Mann mit lichtem Haar und einer unerschütterlichen Fassade von Gesicht, hat den „Grand Prix Eurovision de la Chanson“gewonnen. 62 % der im TED einlaufenden Anrufe wählten Platz Nr. 6: Guildo. Den Initiator der Grand-Prix-Parodie Der wahre Grand Prix.

„Guildo fährt nach Birmingham, dudei“brüllt die Fanmeute wieder und wieder im Chor. Auf der Bühne nehmen „Guildo Horn und die orthopädischen Strümpfe“ihren Ziehvater Michael Holm in ihre Mitte und intonieren „Wunder gibt es immer wieder“. Und natürlich den Siegtitel „Guildo liebt euch alle“. Der Tumult will kein Ende nehmen. Guildo will sich partout nicht vorteilhaft fotografieren lassen, bleckt die Zähne, rezitiert munter irgendwelche Schlagertexte und dankt seinem Fanclub. Mit den flinken Handies „haben die ganze orthopädische Arbeit geleistet“, befindet der Meister grinsend und gibt der Presse noch mit auf den Weg, daß „jedes Land die Vertreter bekommt, die es verdient.“Fast 700.000 Anrufer haben selbst das extra neu eingeführte System des Sponsors mit dem großen T überlastet.

Und schon wieder wird gesungen und gebrüllt, Schlagerstimmung eben. Die nicht darüber hinwegtäuscht, daß nichts anderes als der Tod des Schlagers gefeiert wird. „Eine Perestroika im Musikbusiness“, kräht der Meister.

Guildo Horn hat den Schlager, jenes bekannte Fossil der 50er-Verdrängungskultur, unwiderruflich in die Tonne getreten. Manche sind ihm dafür dankbar. Allen voran natürlich die zweitplazierten „Rosenstolz“, die im Mittelpunkt der seriöseren Berichterstattung standen. „Schlager sind eine Mentalität und handeln von Inseln und Liebe“wiederholt Peter Plate immer wieder. „Wir machen Popmusik, und vielleicht kann man darüber jetzt auch mal in Deutschland reden. Wir haben heute 5 altbackene Titel und 5 neue Sachen wie 'Maria Perzil' gesehen. Das ist ein Generationskonflikt, den niemand wahrhaben will. Niemand kauft doch heutzutage noch Schlager. Sowas gibt's doch nur noch im Fernsehen.“ StErn