Auf Du und Du mit der Vollbeschäftigung
: Flexibles Arbeiten

■ Wege aus der Arbeitslosen-Misere / Fachsymposium in der Bürgerschaft

Wie kommt Deutschland von seinen knapp fünf Millionen Arbeitslosen runter? Mit dieser Frage haben sich gestern – auf Einladung der Grünen – Fachexperten in der Bürgerschaft auseinandergesetzt. Das einhellige Fazit: Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sind nicht automatisch aneinandergekoppelt. Was zu Ludwig Erhards Zeiten funktionierte, hat heute keinen Bestand mehr.

Diese These untermauert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Marieluise Beck, mit der Entwicklung des Bruttoinlands-Produktes (BIP). Erhard setzte 1960 auf ein exponentiell steigendes Wirtschaftswachstum von vier Prozent. Rechnet man das BIP von 1960 entsprechend hoch, hätte der Zuwachs 1996 in den alten Bundesländern bei 164 Milliarden Mark liegen müssen. Tatsächlich wurden aber nur 38 Milliarden Mark mehr erzielt. Dazu Beck: „Nimmt man noch die Rationalisierungserfolge hinzu, zeigt sich, daß heute mit der gleichen Arbeitsleistung das dreifache geleistet wird. Dieses Arbeitsvolumen muß auf alle verteilt werden.“

Das will Beck mit der totalen Flexibilisierung der Arbeitszeit schaffen. Mittel der Bundesanstalt für Arbeit sollen für Freistellungen von der Arbeit genutzt und Übergangsregelungen geschaffen werden. Dazu stellte Birgit Effinger von der Uni Bremen mehrere erfolgreiche Modelle vor, die nach ihren Angaben auch auf Deutschland übertragbar wären. „In Skandinavien ist man vielfach dazu übergegangen, zusätzlich Arbeitsstellen im öffentlichen Sektor zu schaffen.“Teilzeitarbeit ist ein weiterer großer Aspekt. Effinger verweist auf Job-Rotation in Dänemark. „Dort ist es möglich, ein Jahr auszusteigen für Weiterbildung oder Elternarbeit. Dabei gibt es Lohnersatzzahlungen von bis zu 90 Prozent.“In Finnland wurde die Tagesarbeitszeit auf sechs Stunden reduziert – ebenfalls mit 90 Prozent Netto.

Finanzieren wollen die Grünen solche Modelle mit einer Umverteilung der Mittel aus der Bundesanstalt für Arbeit. Zusätzlich sollen hohe Lohnnebenkosten durch direkte Steuern reduziert und auf indirekte Steuern (Ökosteuer) umgeschlagen werden. „Das geht ökonomisch auf“, verspricht Beck. Als ersten Schritt fordert sie den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit. „Dabei kann Bremen schon mit gutem Beispiel vorangehen. Flexible Arbeitszeiten hängen schließlich nicht von Bundesgesetzen ab.“ Jeti