Das Eisenzeitalter geht zu Ende

■ Die Affenklettergerüste werden abgebaut.: Mit dem Menschenbild verändern sich auch die Spielplätze

Kaum etwas ist so dem Wandel unterworfen wie unsere Vorstellung vom Kind. Das liegt, sagen die Anthropologen, daran, daß der Mensch ziemlich mangelhaft auf die Welt kommt. Damit trotzdem was ordentliches aus dem Menschenkind wird, lassen sich seine Erzieher alle paar Jahre was Neues zur Ertüchtigung einfallen. Die Spielplätze und Schulhöfe erzählen davon.

In Bremen (in den Wallanlagen der Neustadt, im Viertel an der Contrescarpe, werden dieser Tage die letzten Reliquien der Sechziger Jahre zu Grabe getragen: Das Eisenzeitalter, als die Spielplatz-Architekten den Menschen noch als potentiellen Affen imaginierten. Mit martialisch bunten Klettergerüsten, auf denen die Mädchen saßen und mit den Beinen baumelten; mit Schaukeln, die noch richtige Schaukeln waren und Sitzbretter hatten statt der blöden Reifen: Da konnten sich schon die Dreijährigen stolz wie KönigInnen in höchste Höhen treiben. Inzwischen kommt auch die Nachfolge-Generation in die Jahre: wuchtige Pfahlbauten mit Hängebrücken und Wachtürmen. Der Mensch als wachsamer Verfechter des Eigenheims. Auf dem öffentlichen Schulhof der Bürgermeister-Smidt-Grundschule, im Viertel, findet man noch so ein Exemplar.

Rundherum ein geteerter Hof mit viel Platz für Skater und jeder Menge Möglichkeiten für die Kids, sich beim Toben die Knie aufzuschürfen. In der Mitte eine dicke Eibe, da kurvt mit elegantem Schwung gerade eine der zehn Lehrerinnen quer über den Schulhof bis vor die Pforte der Grundschule. Das soll sie nicht mehr lange können.

Denn Renate Eckert-Scholz und Monika Schebsdat, die Elternvertreterinnen der Bürgermeister-Smidt-Grundschule, planen Großes für die 180 Kinder ihrer Grundschule: den Schulhof der Neunziger Jahre – ein pädagogisches Gesamtspielwerk.

Das Vorbild hat ihnen das WIS vor Augen geführt: Frau Melzer und Herr Müller vom Wissenschaftlichen Institut für Schulpraxis. Mit Dias und Broschüren kamen die an und erzählten vom Hof der Schule am Baumschulenweg, Schwachhausen. „Wir eifern denen nach“, gibt Monika Schebsdat unumwunden zu. „Drei Zonen braucht ein Schulhof“, nimmt ihr Renate Scholz die Worte aus dem Mund: „Das haben wir jetzt gelernt“. Denn auch die Zehnjährigen brauchen zwischen Rechnen und Schreiben schon ihre Ruhezonen. Mit einem Laubengang und Weidentipis. Mit einer Pergola, von Kletterpflanzen berankt. Und zum Nachbargrundstück als Grenze gehört eine Totholzhecke, in der die Vögel tschirpen. Dazu vielleicht aus verschiedenen Böden und Materialien eine Fußtastfläche; das ist, sagt Renate Scholz, „ganz wichtig“, um die Sinne zu sensibilisieren. Doch nicht der ganze Schulhof an der Bürgermeister-Smidt-Schule soll aufgerissen, Fachdeutsch: entsiegelt, werden. „In der Lessingschule wurde das vor ein paar Jahren gemacht. Aber der Herr Heuer von Stadtgrün bedauert das heute“, wissen die Elternvertreter. Wo sollen dann die Skater hin? Und die Basketballer. Nein auch der Aggressionsstau muß zwischen den Unterrichts-Einheiten irgendwo abgebaut werden – etwa in der Ruhezone bei den flüsternden Vögeln?! Und wer weder aggressionsgeladen noch rückzugsbedürftig ist, kommt in den Sandkasten oder ans alte Palisadengerüst.

Dazu ein großes Gemüsebeet und vielleicht gar ein kleiner Hühnerhof? Die pädagogische Anstalt endet nicht im Klassenzimmer, und außerdem hat die Schule am Baumschulenweg das doch auch. Da verkaufen die Kids ihre Produkte auf dem nahegelegenen Wochenmarkt.

Ja, die Schule am Baumschulenweg! Frank Oetjen, der bei der Schulsenatorin für die Unterhaltung der 180 Bremer Schulgrundstücke verantwortlich ist, wünscht den Elternvertreterinnen an der Contrescarpe zwar alles Gute. Aber wo soll das Geld herkommen? Fast 60.000 Mark habe die Vorzeigeschule in Schwachhausen an Zuschüssen bekommen. „Die müssen ausgesprochen gute connections zum Ortsamt gehabt haben.“Soviel Geld hat die Schulsenatorin nicht zu vergeben. Bißchen Geld für Materialien, ein paar Beziehungen vielleicht, zur Berufsschule für Holz- und Metalltechnik oder zur Arbeitslosenselbsthilfe: Die legen schon mal für 'n Appel und 'n Ei mit Hand an die gute Sache. Vielleicht gibt's auch noch ein gutes Wort bei der Sparkasse. Die spendet schon mal. Ansonsten müssen die Eltern im armen Viertel wohl selber auf Spendenjagd gehen (Bankverbindung: Förderverein Bürgermeister- Smidt-Schule e.V., Kto: 10803047 bei der Sparkasse Bremen).

Die aber sind guten Mutes: An die 5.000 Mark habe auch Frau Freudenberger vom Viertel-Ortsamt in Aussicht gestellt. Auch Herr Heuer von Stadtgrün sei wirklich ausgesprochen hilfsbereit. Und mit der Olbers-Gesellschaft diskutiert man jetzt eine große Sonnenuhr für den Schulhof. Außerdem gibt es da noch die Stiftung Wohnliche Stadt – vielleicht machen die auch mit, wo doch der Schulhof öffentlich zugänglich ist. Und selbermachen wollen sie sowieso alle: die Kinder, die Eltern, die Lehrer. ritz