■ Vorschlag
: Keine virtuelle Realität, keine Satelliten – NoTech im Podewil

Etwas von einem Gebirge und einem gemischten Ensemble steckt in diesem Mann. Aus seinem Körper drängeln nicht nur unterschiedliche Stimmen, sondern auch elementare Gewalten. In einem Solo von David Moss schlagen die Wellen oft höher als in einem durchschnittlichen Familienkrach. Dazu braucht er nicht einmal Worte, nur Rhythmus und Melodie von Sprache und Emotionen. Zusammen mit Matthias Osterwold von den Freunden guter Musik lädt David Moss zum dritten Performance-Festival ins Podewil ein. „NoTech“ steht über dem Programm: „Kein Computer, kein Internet, keine virtuelle Realität, keine Satelliten“, zählt Moss auf.

Als Spezialisten für den Körper pur kommen u.a. Tadashi Endo, der die Langsamkeit des Butoh für die Schärfung der Sinne, z.B. in den Füßen, nutzt; die spanische Tänzerin Olga Mesa, die die unwillkürlichen Manifestationen von Begierden und Instinkten im Körper verfolgt und der österreichische Historiker und Ex-Punk Didi Bruckmayer, gepierct und tätowiert. Eine Generation jünger als Moss, übt er das Schlittern auf den Stimmbändern oft im Kontext von Techno.

Tourneen machen einsam. Den Kontakt zwischen Künstlern und Publikum wieder zu stärken, ist ein Motiv der NoTech-Woche, die mit Solovorführungen beginnt, sich ab Montag in sechs Workshops fortsetzt und mit gemeinsamen Auftritten (6. und 7. März) endet. „Informationen fließen immer in beide Richtungen, die Performer auf der Bühne sind nicht unberührbar“, sagt Moss. Gerade diese Intimität verlangt nicht nur Sensibilität, sondern auch Organisationsformen für die Zeit. Sie ist ebenso Material des Künstlers wie die eigene Energie. Ein Sportler trainiert über ein Jahr für einen Wettkampf von 90 Sekunden; ein Künstler, der 90 Minuten auf der Bühne steht, braucht eine ganz andere Ökonomie seiner Kräfte.

Diese Ungleichheit fasziniert Moss schon lange, der deshalb den Turner Kai Dittmar zu den Soloabenden eingeladen hat. Außerdem kommen Karen Finlay aus New York und die Londonerin Haley Newman: Finley, deren Stück „The American Chestnut“ eine Passionsgeschichte zu erzählen scheint, stellt sich den Themen Schmerz und Verlust, von Kriegen bis zu sexueller Gewalt. Newman dagegen braucht dies extreme Erfahrungsspektrum nicht. Ihre Verfremdung von alltäglichen Bewegungen beziehen ihren Witz aus kleinen Verschiebungen des Gewohnten. Sie will mit ihren Workshop-Teilnehmern in Einkaufspassagen, U-Bahnen und Bars vordringen. Niemand ist vor Kunst mehr sicher. Katrin Bettina Müller

Heute, 20 Uhr, David Moss und Olga Messa; morgen Kai Dittmar und Karen Finley, Klosterstraße 68–70, Mitte