Wenn die Kicker von Hertha BSC Trauerflor tragen

■ Morgen tritt Hertha BSC gegen Hansa Rostock an. Kicker und Fans trauern um den jüngst verstorbenen Vereinspräsidenten Heinz Roloff, der in den Klub Millionen gebuttert hat

Beim morigigen Heimspiel gegen Hansa Rostock werden Berlins Bundesliga-Kicker Trauerflor für Heinz Roloff (85), den jüngst verstorbenen Vereinspräsidenten, tragen. Unter der Ägide des Bauunternehmers (1986 bis 1994), der Millionen Mark in sein Spielzeug Hertha butterte, erlebte der Klub alle Höhe und Tiefen des Gewerbes – vom bitteren Abstieg ins Amateurlager (1986) bis zum triumphalen Aufstieg in die Bundesliga (1990).

Roloff war einer der letzten Patriarchen des Profisports. Als er abtrat, begann bei Hertha die Moderne mit Aufsichtsrat, Computertechnik und angelsächsischem Marketing-Jargon. Verteidiger Oliver Schmidt mußte sich von Roloff höchstpersönlich herzen lassen, nachdem er mit den Hertha- Amateuren 1993 sensationell ins deutsche Pokalfinale gegen Leverkusen vorgedrungen war. Aber auch der heute 24jährige hat seitdem begriffen, daß am harten Kickermarkt nichts weniger wert ist als verstaubte Erfolge.

„Ich gehe davon aus, daß ich gegen Rostock dabei bin“, überrascht das frühere Talent aus Siemensstadt, dessen Zwillingsbruder Andreas sich zum Volltreffer der Saison entwickelt, mit ungeahntem Optimismus. Immerhin durfte Olli in 23 absolvierten Partien erst drei Minuten lang als Einwechselspieler Bundesligaluft schnuppern. Aber seine Hoffnung auf Arbeit beruht auf einem simplen Marktgesetz: Bei Hertha übertrifft die Nachfrage nach verwendbarem Abwehrpersonal zur Zeit deutlich das bestehende Angebot.

Trainer Jürgen Röber kommt an Schmidt gar nicht vorbei, nachdem die Defensiv-Strategen Herzog (Kieferbruch), Rekdal (Wadenblessur), Sverrisson (Hand in Gips) sowie der nach fünf Verwarnungen gesprerrte Karl gegen die Rostocker nicht zur Verfügung stehen. Sogar der Holländer Bryan Roy, der vor der Saison als Superstar für das Mittelfeld geholt, dann auf der Ersatzbank zwischengelagert wurde, wird voraussichtlich vom Anpfiff an dabei sein.

„Irgendwie wird es schon hinhauen“, strotzt Röber angesichts der dünnen Personaldecke nicht gerade vor Selbstvertrauen. Ausgerechnet vor dem Vergleich mit den Ostsee-Städtern, die den Berlinern im Hinspiel eine traumatische 0:4-Niederlage zufügten, geht Hertha am Stock. Es scheint so, als könnten die Gäste, in deren Reihen mit Mittelfeld-As Sergej Barbarez, dem angehenden Nationalverteidiger Marko Rehmer und Torwart Martin Pieckenhagen drei ehemalige Berliner vom 1. FC Union zu den Leistungsträgern zählen, den inoffiziellen Titel des „ostdeutschen Meisters“ in den hohen Norden holen.

Als Berlin noch in der 2. Liga gegen den Ball trat, war der letzte DDR-Meister Rostock für die Hauptstadt-Medien „unser Klub um die Ecke“. Seit der Rückkehr der Preußen ins Oberhaus (1997) streiten sich beide Eliteklubs um den nichtsnutzigen Status, wer die neuen Bundesländer am besten vertritt. Die Diskussion entbehrte zeitweise nicht einer gewissen Komik. Hansas längst zurückgetretener Präsident Peter-Michael Diestel sprach Hertha BSC jedwedes Ost-Flair ab, weil der Verein von den Strukturen her eindeutig ein West-Klub sei. Dabei unterschied sich Diestels autokratischer Herrschaftsstil kaum vom autoritären Papa-Gehabe des Heinz Roloff selig. Jürgen Schulz