■ Die elf Euro-Kandidaten haben die Defizit-Hürde genommen
: Waigels Triumph

Dreikommanull-Minister Theo Waigel kann triumphieren. Nicht nur die versprochene „Punktlandung“ in Richtung Maastrichter Defizitkriterium (maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts) hat er geschafft, nein, die Neuverschuldung liegt mit 2,7 Prozent sogar deutlich darunter. Und nicht nur das – auch von den Euro-Partnern hat sich keiner gewagt, ein Defizit über 3,0 Prozent vorzulegen. Damit kann die Europäische Währungsunion mit großem Teilnehmerkreis loslegen, denn um andere Fragen als Dreikommanull oder nicht Dreikommanull geht es längst nicht mehr. Genau das ist er, Waigels Triumph.

Daß die meisten Länder das andere kritische Konvergenzkriterium, die gesamte Staatsverschuldung, bei weitem verfehlen, darüber regt sich Waigel höchstens dann ein bißchen auf, wenn die Rede von Italien ist. Mit ihrem Schuldenberg nämlich liegen nur drei der elf Euro-Kandidaten unter der Maastricht-Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – die Bundesrepublik ist nicht darunter. Waigel kann sich nicht einmal auf die Klausel des Maastrichter Vertrags berufen, wonach Defizit und Schuldenstand wenigstens „hinreichend rückläufig“ sein müssen, denn die deutsche Verschuldung ist gestiegen.

Also hält er sich beim Thema Gesamtverschuldung vornehm zurück, obwohl das genauso willkürlich ist wie sein Herumreiten auf dem Defizitkriterium. Mit Hilfe des letzteren aber hat er sein erklärtes Ziel erreicht. Der Euro kommt, ohne daß sich die Bundesregierung kritischen Diskussionen hätte aussetzen müssen. Nicht einmal eine Informationskampagne für die Bürger hat die Regierung für nötig erachtet – reicht doch, wenn die Deutsche Bank das in ihrer Werbung nun tut.

Die Presse wie auch die Wirtschaftswissenschaftler haben sich lange Zeit nur an Sinn und Unsinn, an Erreichen oder Verfehlen des Defizitkriteriums abgearbeitet. Eine Diskussion über eine Frage wie die, welche Auswirkungen die Währungsunion auf Arbeitsplätze in ökonomisch labilen Gegenden haben wird, hat praktisch nicht stattgefunden. Die Professoren, die vor einigen Wochen in einem öffentlichen Brief darauf hingewiesen haben, kamen zu spät, um noch ein Umsteuern bewirken zu können.

Merke: Wenn du Probleme hast, irgendein kritisches Projekt durchzusetzen, greif dir einen unproblematischen Aspekt heraus und problematisiere diesen so lange und ausführlich, bis alle anderen mundtot sind. Diese Taktik sollte als „Waigelisieren“ Eingang in unseren Wortschatz finden. Nicola Liebert