■ Mit Gründern auf du und du
: Nach der Pleite

Berlin (taz) – „Unverantwortlich“ sei die Reklame für Existenzgründungen von Bundeskanzler Kohl, klagt Ottmar Bergmann. „Viele Existenzgründer sind die Sozialhilfeempfänger von morgen.“ Bergmann kennt einige von ihnen: Er ist Berater für überschuldete Existenzgründer beim Verein julateg in Berlin. Im Durchschnitt haben seine Ratsuchenden 160.000 Mark Schulden. „Die meisten werden ihre Verpflichtungen ihr Leben lang nicht mehr los“, so Bergmann.

Rund 600.000 Betriebe werden jedes Jahr geschlossen und abgemeldet, so die Zahlen des Verbandes der Vereine Creditreform. Aber nur 34.100 Firmen und Privatpersonen gingen im vergangenen Jahr in ein Vergleichs- oder Konkursverfahren. Bei einer weitaus größeren Zahl von verschuldeten Unternehmern werde „das Konkursverfahren erst gar nicht bemüht“, erklärt Bergmann. Er schätzt, daß sich jährlich etwa 300.000 bis 400.000 Unternehmer nach der Schließung ihres Betriebes mit hohen Schulden herumplagen.

Auch Geschäftsführer von GmbHs (Gesellschaften mit beschränkter Haftung) bleiben nach der Pleite auf persönlichen Schulden sitzen, da die Banken für ihre Kredite meist persönliche Bürgschaften verlangen. „Bei fast jeder Firma, die pleite geht, bleiben persönlich haftende Beteiligte übrig“, stellt Bergmann fest. Nicht selten ist es auch die Ehefrau, die eine Bürgschaft für ihren Mann unterschrieben hat.

Wer mehr als 130.000 Mark Schulden habe, käme mit dem Abzahlen von Zinsen und Tilgung auf normalem Wege kaum noch hinterher, so Bergmanns Erfahrungswert. Nur etwa die Hälfte seiner Pleitiers, darunter gescheiterte Friseure, Bauingenieure und Einzelhändler, fänden nach dem Crash einen Angestelltenjob, um die Schulden abzustottern. Der Rest lebe von Sozialhilfe oder der Ehefrau. „Als Unternehmer sind die meisten fertig.“ Es sei denn, der ehemalige Geschäftsführer wendet einen altbekannten Trick an: Manche Unternehmer machen einen neuen Betrieb auf und setzen Verwandte oder einen anderen Strohmann als neuen Geschäftsführer ein.

Das neue Insolvenzrecht soll bald auch gescheiterten Unternehmern helfen. Von 1999 an gilt die Regelung, nach der persönliche Restschulden nach sieben Jahren getreulichen Abzahlens erlassen werden können. Da für Altfälle nur eine fünfjährige Wohlverhaltensfrist gilt, ist mit den ersten Restschuldbefreiungen im Jahre 2004 zu rechnen. Barbara Dribbusch