Ganz Deutschland hat den Guildo lieb

■ Die Epoche der sphärischen Gefühle ist passé: Meister Horn gewinnt die Ausscheidung für den Grand Prix

Bremen (taz) – Deutschland, einig Schlagerland: Guildo Horn und seine „Orthopädischen Strümpfe“ gewannen unangefochten die Vorentscheidung zum Grand Prix d'Eurovision. Damit repräsentiert die Kölner Halbglatze („Jedes Land bekommt den Vertreter, den es verdient“) am 9.Mai in Birmingham „Dschörmäni“.

Horn, der mit seinem Bekenntnissong „Guildo hat euch lieb“ jede Erinnerung, daß beim Grand Prix deutscherseits stets nur Flaches und Hymnisches dargeboten wird, auslöschte, genoß seinen Erfolg in Bremen im Beisein von vielen Fans, die hier ihr Idol hooliganmäßig anfeuerten: „Guildo ist unser Meister.“ Der Mann, für den Bild mehrere Wochen einen PR-Job betrieb, ist der erste deutsche Schlagersänger, der tief in der Spaßkultur der neunziger Jahre verwurzelt ist. Komponiert wurde sein Song von Stefan Raab („Hier kommt die Maus“), produziert vom Schlageraltmeister Michael Holm („Mendocino“).

Auf der Strecke blieben alle drei Beiträge vom früheren Mister Grand Prix Ralph Siegel („Ein bißchen Frieden“). Seine Schlager erwiesen sich als altbacken und landeten auf den letzten Plätzen. Der Münchner kündigte rechtliche Schritte gegen Horn an, weil dessen Lied schon vor dem Contest im Radio gespielt wurde. Gewonnen hat ein Lied, das strikt fußballstadientauglich ist, womit die Epoche der sphärischen Gefühle im deutschen Pop ein Ende gefunden hat. Horn kündigte an, Deutschland würdig in England zu vertreten: „Ich bin Deutschland – aus jeder Pore, in voller Breite.“ Jan Feddersen

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