Euro-Finish: Elf bleiben unter 3,0

■ Alle Kandidaten für die Währungsunion haben erfolgreich gespart. Die elf beitrittswilligen EU-Staaten drückten ihr Haushaltsdefizit unter die im Maastricht-Vertrag festgelegte Grenze. Deutsches Defizit liegt bei nur 2,7 Prozent

Berlin (taz) – Alle elf Euro-Kandidaten haben die Defizithürde genommen. Die Statistikämter reichten bis gestern ihre Haushaltszahlen in Brüssel ein und bestätigten damit: Keiner liegt 1997 mit der Neuverschuldung über der magischen Grenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Griechenland mit 4,0 Prozent hat sich selbst als „nicht reif“ für den Euro bezeichnet, und Großbritannien, Dänemark und Schweden wollen sowieso dem Club fernbleiben.

Eine überraschende Zahl legte insbesondere Deutschland vor. Auf nur 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belief sich 1997 die Neuverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden – 0,7 Prozent weniger als 1996. Auch Italien liegt mit ebenfalls 2,7 Prozent deutlich unter der im Maastricht-Vertrag genannten Grenze von drei Prozent. Frankreich hat mit 3,0 Prozent gerade noch das Gesicht gewahrt.

Nicht ganz so gut sieht die Lage bei der Gesamtverschuldung, dem anderen wichtigen Konvergenzkriterium, aus. Deutschland liegt mit 61,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts über der Maastricht- Grenze von 60 Prozent. „Nicht jeder ist so tugendhaft, wie man denken könnte“, spottete der französische Finanzminister Dominique Strauss-Kahn über die deutschen Stabilitätsfans. Doch selbst Belgien und Italien (mit jeweils mehr als 120 Prozent) reklamieren für sich Euro-Tauglichkeit, denn schließlich sei ihre Verschuldung stark rückläufig. Die anderen drei Konvergenzkriterien – Inflation, Zinshöhe und Wechselkursstabilität – stellen für kein EU-Land ein Problem dar.

Das niedrige deutsche Defizit sei allein dem Bund zu verdanken, dessen Neuverschuldung gegenüber 1996 um zehn Milliarden Mark reduziert worden sei, rühmten sich sogleich die Spitzen der Koalitionsfraktionen. Die Länder und Gemeinden hätten ihre Defizite um 6,2 Prozent erhöht.

Ökonomen halten das Dreiprozentkriterium jedoch ohnehin für willkürlich. Die einen bestreiten einen engen Zusammenhang von Staatsverschuldung und Geldwertstabilität. Andere Forscher bemängeln vor allem die fehlende Vorsorge für künftige Haushalte – durch den Ausverkauf von Staatsbetrieben, deren Erlöse für laufende Kosten ausgegeben werden, und das Sparen an Investitionen.

Dessen ungeachtet freuten sich Politiker aus allen Parteien, daß alle Kandidaten die Hürde genommen haben. Nur der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber warnte miesepetrig vor voreiligen Festlegungen. Erst mal müßten EU und Bundesbank prüfen, „inwieweit die Zahlen der Mitgliedsstaaten auf dauerhaft wirksame Einsparungen oder nur auf Einmalmaßnahmen und kreative Buchführung zurückzuführen sind“. Solche Überprüfungen finden in den nächsten Wochen zuhauf statt.

Am 25. März erstellen Europäisches Währungsinstitut und EU-Kommission eine Länderliste der künftigen Euro-Club- Mitglieder. Zwei Tage später liefert die Bundesbank dem Kabinett eine Beurteilung ab. Ab 2. April berät der Bundestag über die Währungsunion, um dann am 23. April eine Entscheidung zu fällen. Tags darauf trifft der Bundesrat zusammen. Richtig spannend wird es im Mai: Am 1. Mai beschließen die EU-Wirtschafts- und Finanzminister, wer in den Euro-Club aufgenommen wird, am 2. Mai befaßt sich das Europaparlament mit der Vorlage, und am 3. Mai wird erklärt, wie die Wechselkurse festgelegt werden. Damit kann dann die europäische Währungsunion pünktlich am 1.1.1999 loslegen. lieb/aje

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