Machtwechsel oder Politikwechsel?

■ GAL selbstkritisch über das Modell Rot-Grün, aber Krista Sager und Antje Radcke sind sich gar nicht grün

Was bringt Rot-Grün, wenn Rot-Grün nichts bringt? Mit dieser Frage beschäftigte sich am Samstag im Bürgerhaus Wilhelmsburg die Mitgliederversammlung der GAL im Hinblick auf die Bundestagswahlen im September. Parteisprecherin Antje Radcke hielt sich nicht lange mit Artigkeiten auf. „Stellt euch vor, Rot-Grün regiert, und keiner merkt's“, argwöhnte die Grüne: „Wie sollen wir denn die Wählerinnen und Wähler mobilisieren?“fragte sie die rund 100 anwesenden GALierInnen.

Überraschend scharf griff die Parteilinke Radcke die Ober-Reala Krista Sager (GAL) an. Die Zweite Bürgermeisterin hatte auf der 100-Tage-Bilanz vor eineinhalb Wochen gesagt, man müsse nicht das GAL-Parteiprogramm, sondern den rot-grünen Koalitionsvertrag als Maßstab für den Erfolg der neuen Regierung betrachten. Sie hatte außerdem bemängelt, daß viele grüne Bürgerschaftsabgeordnete ihre Aufgabe noch immer darin sähen, kleine Anfragen zu schreiben, statt aktiv mitzugestalten. „Solche Äußerungen sind nicht geeignet, die Regierungsfähigkeit der GAL zu stärken“, so Radcke. Daß die Kritik der stellvertretenden Regierungschefin die Partei zudem über die Presse erreichte, sei kein guter Stil. Auseinandersetzung sei erwünscht, „aber bitte direkt und offen“.

Sager nahm die Vorwürfe nicht widerspruchslos hin. Mit der Ankündigung, sie wolle die Debatte „mit Fakten“anreichern, begann sie ihren Diskussionsbeitrag. „Ich glaube, daß schon in den ersten hundert Tagen grüne Punkte glaubwürdig umgesetzt wurden“, eigenlobte sie. Zu der Erfolgsbilanz zähle sie die Änderung der Fehlbelegungsabgabe, die Unterschutzstellung des Höltigbaums und die Dezentralisierung der Ausländerbehörde.

Die GAL solle sich nun lieber auf den Wechsel in Bonn konzentrieren, „statt Katzenjammer zu verbreiten“. Denn „mich ärgert es, daß hier vieles so schief dargestellt wird“. Als Beispiel nannte sie die Sozialhilfekürzung für Alleinerziehende. Der Kompromiß mit der SPD sei zwar „nicht optimal“, aber es sei doch „ein Fortschritt“, überhaupt Einfluß nehmen zu können. Man müsse sich ja nicht immer als „Helden der Nation“aufspielen.

„Das hätten wir auch als Oppositionspartei erreichen können“, widersprach die Abgeordnete Susanne Uhl von der Gruppe „ZAS“(Zwischen allen Stühlen). Wenn Rot-Grün in Hamburg „leidenschaftslos“wirke, habe das „nichts mit Katzenjammer zu tun, sondern mit dem, was wir real erleben“. Niemand könne der GAL übelnehmen, „daß nach hundert Tagen noch keine Straßenbahnen fahren oder noch keine drei AKWs stillgelegt sind“, urteilte Andreas Bachmann, ebenfalls ein ZASler. Doch was der Senat bisher geleistet habe, „ist keine Visitenkarte rot-grüner Regierungspolitik“.

Auch die Fraktionsvorsitzende Antje Möller sah keinen Anlaß, „die Landespolitik schönzureden“. Und in Bonn werde sogar alles „noch härter“. Die Bundestagsabgeordnete Amke Dietert-Scheuer mochte da nicht wirklich widersprechen. Inzwischen müßte man gegen „den Ruf ankämpfen, es gehe den Grünen eher um einen Machtwechsel als um einen Politikwechsel“. Silke Mertins