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Werder verstolpert seinen Sieg

■ Nach dem 2:2 gegen Dortmund waren die Bremer trotzdem glücklich: Über graupige Dortmunder und die altbekannte ostfriesische Gelassenheit

Ein leichtes Grinsen huschte über das Gesicht von Dieter Eilts. Aber dann guckte er schon wieder in total ostfriesischer Gelassenheit in die SAT 1-Kamera: Schon richtig, den Urlaub im Juni, den hätte er schon gebucht, „aber den kann man ja stornieren.“Muß er auch, wenn er so weitermacht. Schließlich hatte er gerade eine fette Bewerbung bei Berti Vogts für ein Ticket zur WM abgegeben.

Magic Dieter war der überragende Spieler beim Kick der Grün-Weißen im Dortmunder Westfalenstadion. Sein zuletzt so hochgelobter Gegenspieler Andreas Möller sah kaum Sonne, und Werder schaffte ein 2:2 beim Champion's League Sieger und Weltpokalgewinner. Entsprechend ausgelassen feierten die Spieler hernach mit den Bremer Fans – und doch bleibt ein bissel Wehmut zurück nach dem Ausflug in's Westfälische. Ein achtbares 2:2, das schon, aber ein 2:2 bei einem BVB, bei dem durchaus ein Sieg dringewesen wäre. Ein 2:2, weil Werder reichlich Chancen verstolperte.

Die absurde Konstellation nach dem Schlußpfiff: Jubelnde Werderaner, die zwar das Spiel dominiert und so deutlich mehr Torchancen herausgearbeitet hatten, daß sie hätten gewinnen müssen – sich aber über das fast in der letzten Minute erreichte Unentschieden freuten wie die Schneekönige. Und daneben bedröppelte und wüst ausgepfiffene Dortmunder, die nach einer weitgehend gruseligen Leistung eigentlich mit dem Unentschieden gut bedient waren – aber einen fast sicheren Sieg noch aus der Hand gegeben hatten.

„Wat sind dat für Graupen“, maulte ein hartgesottener BVB-Fan auf der Tribüne. „Die sind total überspielt, die sind fertich, die müßten eigentlich sofort in den Urlaub.“Und das war noch eine der netteren Äußerungen auf den Rängen. Und Trainer Nevio Scala spuckte hernach Gift und Galle: „Arrogant“hätte seine Mannschaft gespielt. Die müßte sofort in das Trainingslager, um mit „einem neuen Kopf“in die nächsten Spiele zu gehen. Kurzum: In Dortmund liegen die Nerven blank.

Kein Wunder, die so arg gebeutelte BVB-Anhängerschaft war gerade durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen. Nach zuletzt guten Spielen waren die Schwarz-Gelben ziemlich siegessicher in das Match gegen den Tabellennachbarn aus dem hohen Norden gestartet. Allein, die erste Stunde im ausverkauften Westfalenstadion war vor allem eines: zum Einschlafen.

Hier kümmerte sich Herr Kohler in bewährter Hartnäckigkeit um Herrn Frings, und Herr Flo rannte sich gerne mal bei Herrn César fest. Da konnte Herr Decheiver gegen Herrn Todt kaum etwas und Herr Chapuisat gegen Herrn Wicky nur wenig mehr ausrichten. Kalt war es außerdem, und windig, das Volk fror vor sich hin und murrte.

Dabei schien der Fußballgott ziemlich hartnäckig auf Dortmunder Seite zu sein: Ein astreines Tor von Heimo Pfeifenberger nach einer guten halben Stunde wurde aus unerfindlichen Gründen nicht gegeben, dafür ein höchst umstrittenes des BVB zum 1:1-Ausgleich, nachdem Andy Herzog einen Freistoß unter zwei freundlich hüpfenden Dortmundern zur Bremer Führung in's BVB-Tor geschnibbelt hatte. Und Dio mio! Was hatten die Werderaner da schon für Chancen vergeben!

„Jetzt entscheidet sich's, wo's mit uns in dieser Saison noch hingeht“, hatte es vor der Reise nach Dortmund und in Erwartung des Tabellenführers Kaiserslautern zum Heimkick aus der Werder-Truppe getönt. Nach dem Spiel beim BVB können die Werderaner – trotz der Abschlußschwächen – ziemlich zuversichtlich in die Zukunft gucken. Vor allem einer. Aber der will da lieber nicht so viel drüber reden. Dem huscht höchstens ein Grinsen über's Gesicht. So ist das eben mit der ostfriesischen Gelassenheit.

Jochen Grabler

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