Vereinter Kampf für den Schulhausmeister

■ In Blumenthal werfen sich Eltern und LehrerInnen ins Zeug: Weg mit McKinsey, wir wollen unseren Hausmeister behalten

Pünktlich um fünf Uhr früh ist Karin Pehlke da und stellt den ersten Eimer unter den Wasserhahn. Sie hat einiges vor sich: Das gesamte Schulgebäude an der Helgenstraße in Blumenthal, das zur Grundschule Rönnebeck gehört, will ausgefegt, geputzt und staubgesaugt werden. Angefangen mit der Turnhalle, die morgens meist vor Dreck starrt, wenn abends wieder die Vereine drin waren. Und das ist eigentlich jeden Tag so und genau der Grund, weshalb Karin Pehlke nicht wie jede andere Reinigungsfrau in Diensten der Schulbehörde erst mittags auflaufen kann.

„Die Kinder sollen einen sauberen Boden haben“, erklärt Hausmeister Günter Bertram. Seit über einem halben Jahr hofft er deshalb auf eine zweite Putzkraft. Damit sie in der Schule überhaupt klar kommen, müssen auch die Kleinen ran: Außer der Halle müssen noch zwei Stockwerke im alten Schulgebäude, sechs Klassenräume, das Lehrerzimmer und die Außentoiletten gereinigt werden, samt alten Holztreppen, großen Blumenkübeln und Kuschelecken drinnen, Schulgarten, Teich und jeder Menge Wildwuchs draußen.

Hinzu kommen die Tiere. Tiere? Als eine vierte Klasse vor ein paar Jahren im Biologie-Unterricht Küken ausschlüpfen ließ, konnte Bertram ihnen die putzigen gelben Federbälle „einfach nicht abnehmen“. „Da habe ich den Stall gebaut“, sagt er. Hinter einem zwei Meter hohen Zaun demonstrieren Hühner Landleben, picken nach Körnern und bemühen sich nach allen Regeln der Kunst, den Hahn zu ignorieren.

Dazwischen Meerschweinchen und Kaninchen, die ein Schüler mitgebracht hat, nachdem zu Hause kein Platz mehr für seine Lieblinge war. „Und den dicken Weißen“, so Bertram. „Den hat mal jemand nachts über den Zaum gesetzt.“

„Ich weiß nicht, was wir ohne Herrn Bertram täten“, sagt Margitta Schmidtke und meint das auch so. Das gibt sie schriftlich. Zum Beispiel in einem offenen Brief des Elternbeirats Bremen Nord an den Senat. Seit die Unternehmens-beratung McKinsey erklärt hat, das Land Bremen sei betriebswirtschaftlich völlig unmöglich organisiert, hält die Elternvertreterin es für absehbar, daß die Tage der Idylle an der Helgenstraße gezählt sind: Um eine spätere Privatisierung der Reinigung und Instandhaltung aller öffentlichen Gebäude vorzubereiten, hat der Senat angekündigt, das gesamte Liegenschaftswesen im Bauressort zusammenzufassen, einen Eigenbetrieb Service zu gründen und später in eine GmbH zu überführen.

Bislang gehören Hausmeister und Reinigungskräfte an den Schulen zum Bildungsressort und sind den jeweiligen SchulleiterInnen unterstellt. Losgehen mit der Umstrukturierung soll es am 1. Juni. „Was das für uns bedeutet, können wir nur ahnen“, sagt die Elternbeirätin. „Der Beschluß steht schon, bevor man weiß, wie das konkret aussehen soll.“Bernd Leder, Leiter der Grundschule Rönnebeck, gibt ihr recht. „Vermutlich muß Herr Bertram demnächst drei oder vier Schulen betreuen“, eine persönliche Beziehung wie jetzt sei dann kaum noch möglich. Und auf zusätzliche Dienste in und außerhalb der Dienstzeit, die von sechs bis 15 Uhr dauert und dann in Bereitschaft übergeht, müßten Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen dann auch verzichten – angefangen mit dem Schulfrühstück, mit dem sich Bertram morgens in den Flur stellt.

Und auch betriebswirtschaftlich glauben Leder und Schmidtke die besseren Argumente zu haben: „Sie können mal bei einer Reinigungsfirma anrufen und fragen, was es kostet, das Laub auf 5.400 Quadratmetern zusammenzurechen“, sagt der Schulleiter. Ein Job, den der Hausmeister ebenso nebenbei in seiner Arbeitszeit erledigt wie etwa die Reparatur einer kaputten Toilettendichtung. „Das Ersatzteil kostet 70 Pfennig, ich bring das beim nächsten Einkauf mit und bau es ein.“Wenn eine Extra-Firma zuständig wäre, müsse die erst gerufen und schon die Anfahrt bezahlt werden. „Da kommen Sie nicht unter 150 Mark weg.“

„Herr Bertram muß hierbleiben“: Auch Saskia Hilgers aus der dritten Klasse setzt sich für den Hausmeister ein. „Sonst weiß doch keiner, wie die Hühner richtig gefüttert werden, außerdem hat er ein Auto und sorgt dafür, daß wir neue Lehrer kriegen.“– „So kommt das bei den Kindern an“, meint Leder. „Der Hausmeister ist der heimliche Chef.“

Die Identifikation mit dem Job hat auch Nachteile. Zumindest der Hausmeister hat manchmal Schwierigkeiten sich abzugrenzen. In den drei Jahren, die er jetzt hier beschäftigt ist, hat er noch nicht eine Woche Urlaub genommen, ist aber oft bis abends um elf erreichbar. Ausgerechnet für dieses Jahr hatte er seiner Frau versprochen, damit Schluß zu machen. „Aber ob ich jetzt Ruhe und Erholung finden kann?“Er werde wohl abwarten, bis klar ist, wie seine Aufgabenbeschreibung demnächst aussieht. Oder bis der Protest der Eltern gegen die Auslagerung etwas gebracht hat.

Daß Erika Huxhold, Sprecherin der Bildungsbehörde, erklärt, es bleibe „alles beim alten“, reicht ihm nicht. Vor allem, wenn sie hinzufügt, die „ganze Aufregung“sei Panikmache. „Da schrillen die Alarmglocken“, so Bertram. Aber Huxhold bleibt dabei: Nach ihren Informationen sollen die Hausmeister weiterhin an den Schulen bleiben und auch keine „branchenfremden“Gebäude zugewiesen bekommen. Wie der Eigenbetrieb Service dann aber in drei Jahren so viel abwerfen soll, daß er privatisierungsfähig ist, weiß sie auch nicht. „Das ist doch alles erst in der Anlaufphase.“

bw