Nur toter Fisch ist guter Fisch

■ Die Rückseiten der Markenzeichen: Umwelt-Filmtage dokumentieren den normalen Schwachsinn des internationalen Fischfangs und die ordinäre Idiotie der Ölförderung

Bitte, was ist ein ökologischer Film? Etwa ein sanft mit Hanfgarn gewebtes Bändchen? Die Frage muß offen bleiben. „Die Umwelt-Filmtage sind ein Experiment“, meint Peter Brodersen von der Bremer Initiative Öko-Stadt. Zusammen mit der Medien Coop Bremen haben sie vier Tage ökologische Filme gezeigt – was immer das ist und wen immer das interessiert. Am ersten Abend standen zwei Dokumentarfilme auf dem Programm. 20 Leute wollten diese Filme sehen, darunter mindestens zwei Veranstalter, ein Filmvorführer, zwei Thekenmänner, zwei Mitarbeiterinnen von Greenpeace Bremen und Gerold Janssen. That's all.

In „Der stinkende Fischkopf“des Dänen Steen Yssing (1997) geht es um den gemeinen Schwachsinn des Fischefangens, genauer, des Heringsfangs. Der Beitrag für das dänische Fernsehen ist brutal geschnitten, hat laienhafte Bildsequenzen und holprige Übergänge. Aber gerade diese Einfachheit haut einen vom Hocker. Ohne Schnörkel, kurz und trocken, schlägt der Film den ZuschauerInnen bekannte Fakten um die Ohren und wirft ihnen den ganzen Zynismus der Politbürokratie vor die Füße. Jährlich werden über 500.000 Tonnen Fisch tot ins Meer gekippt, um die Fischpreise stabil zu halten, die Fangquoten der EU offiziell nicht zu überschreiten oder weil die Fische für die verarbeitende Industrie schlicht zu klein sind.

Die EU hat einzelnen Ländern Fangquoten zugeteilt, um die Fischbestände zu sichern. Doch der Hering ist beispielsweise infolge der industriellen Fangmethoden überfischt. Fängt ein Trawler mehr als erlaubt, schmeißt der Kapitän den toten Überfang ins Meer zurück. Frage an einen Fischer: „Wieviel haben Sie nach einer Woche Fischfang verdient?“„10.000 Kronen.“„Und für wieviel Kronen haben Sie Fisch ins Meer zurückgeworfen?“„Für 16.000 Kronen.“

„Brent Spar und Co“von Detlev Cordts (1996) sollte der Anreißer des Abends sein. Doch der Dokumentarprofi, Schöpfer von über 160 Filmen fürs Fernsehen, ist seiner eigenen Professionalität erlegen. Bilder vom Gigantismus des technisch Machbaren haben ihn verführt, „booahh“zu sagen. Tatsächlich verdrängt das technische Beherrschen des Baues von Ölplattformen ein kritisches Nachdenken darüber, warum auch noch das letzte Tröpfchen Öl aus der Erde herausgepreßt werden muß. Die Reaktionen des Publikums während der schleppenden Diskussion nach dem Film waren entsprechend. Da wurden technische Möglichkeiten zur Entsorgung von Ölplattformen besprochen, statt Sinn und Zweck der aggressiven Ölförderung in einen gesellschaftlichen und ökologischen Zusammenhang zu stellen.

Wie Kathedralen ragen die insgesamt 400 Öl- und Gasfördertürme aus der Nordsee. Cordts leuchtet seinen Film aus wie technikverliebte, fortschrittsgläubige FotografInnen der 20er Jahre. Mühsam muß man sich die Rosinen aus dem Film picken. Bis zu drei Millionen Mark Profit wirft eine kleine Ölplattform pro Tag ab. Die Konstrukteure waren offenbar so mit dem Bau der Moloche beschäftigt, daß sie vergaßen, sich um die Ent-sorgung der Stahl- und Betonriesen zu kümmern. Sie bauten eben für die Ewigkeit. Zu ihrem Pech schreibt das internationale Seerecht vor, die Bohrtürme abzubauen, wenn nicht mehr gefördert wird. Ob die Plattform umgekippt oder versenkt oder an Land zerlegt wird, entscheidet jeweils nationales Recht.

Ölunfälle bei Plattformen sind an der Tagesordnung. Ständig läuft chemisch vergiftetes Produktionswasser aus den Bohr- und Fördertürmen. Kilometerweit breiten sich giftige Schlämme unter den Plattformen aus und ersticken alles Leben am Meeresboden. Shell hatte mit der Versenkung der Brent Spar nichts Illegales vor. Pech für Shell, daß Greenpeace ein Zeichen setzen wollte: Macht Meere nicht zu Müllkippen. Der Film verschweigt aber, daß Greenpeace gemogelt hatte, als es behauptete, Brent Spar sei angefüllt mit Chemiekalien. Greenpeace und Shell vertragen sich heute wieder. Mehr noch, jeder Großkonzern möchte sich mit Ökosponsoring schmücken, wenn es die eigentliche Produktion nicht gefährdet. So wird die Firma „Iglu“demnächst mit einem Markenzeichen des WWF werben. Auf den Fischstäbchen steht dann „Garantiert Biofisch“. Was immer das heißen mag. Thomas Schumacher