Keiner brüllt: „Raus!“

■ Beim 1:1 des HSV gegen Schalke 04 erahnt Pagelsdorf einen spektakulären Aufwärtstrend

Hamburg (taz) – Es war Jens Strohscheins erstes Bundesligaspiel. Schon Stunden bevor irgendeiner überhaupt Fußballstutzen anhatte, war Strohschein am Sonnabend mittag im Volkspark-Stadion und bereitete sich vor: eine Stopfnadel neben das rechte Tor, eine neben das linke – fertig. „Hamburg wird siegen“, verkündete der Mann aus Schlagsdorf bei Ratzeburg selbstbewußt. Beim Zweitligisten Hansa Rostock habe Strohscheins Zauber schließlich auch geklappt, bekräftigte HSV- Trainer Frank Pagelsdorf, der seinen Leib-Magier eingekauft hatte, um nach viereinhalb Monaten endlich wieder zu Hause siegen.

Geklappt hat es nicht. Die Gegner aus Schalke tobten über den gepiercten Rasen, als gebe es Strohscheins Stopfnadeln gar nicht. Ihre Pässe paßten, die Abwehr stand, und nach 34 Minuten köpfte Thomas Linke den Ball ins Hamburger Tor. Schuld daran war jedoch nicht der Hobby-Magier, sondern HSV-Spieler Pavel Wojtala. Gerade aus England mangels Arbeitserlaubnis zurück, ließ er seinen Gegenspieler bei einem Schalker Freistoß unbewacht. Linke hatte den Kopf frei und traf.

„Die erste Halbzeit war schwer: Wir hatten Gegenwind“, nahm Pagelsdorf seine Mannschaft nach dem Spiel in Schutz. Tatsächlich flogen den Hamburgern Regen und Hagel ins Gesicht; lange Pässe blieben auf der Strecke, und beide Teams fabrizierten Schüsse, die selbst dann nicht im Tor gelandet wären, wenn es ein Football-Tor gewesen wäre. Trotzdem hätten die Hamburger Fans ihre Mannschaft prima unterstützt, fand Pagelsdorf. Rund 36.300 waren gekommen, und keiner hatte „Raus!“ gebrüllt.

Das war auch nicht nötig, denn in der zweiten Halbzeit wurde der HSV etwas besser. Thomas Gravesen machte sogar das Ausgleichstor (70.). Es war ein Verzweiflungsschuß aus 25 Meter Entfernung – aber immerhin ein Schuß. Worauf Pagelsdorf behauptete: „Wir haben uns Chancen erarbeitet.“ Man kann es eben so oder so sehen. Mit dem 1:1 steht der HSV jedenfalls auf dem letzten Nicht- Abstiegsplatz, dem 15. Das hätte schlimmer kommen können, erklärten Fans und Trainer einig. Schließlich, so Pagelsdorf, sei der HSV die einzige Bundesligamannschaft, die in der Rückrunde noch keinen Elfmeter erhalten habe. Und, sagt er: „Ich bin überzeugt, daß wir bald auch mal Glück haben werden.“ Judith Weber

Hamburger SV: Butt – Gravesen – Panadic, Hertzsch – Woytala (69. Trejgis), Kmetsch, Spörl, Zeyer, Hollerbach (66. Schnoor) – Dembinski (46. Yeboah), Weetendorf

Schalke 04: Lehmann – Thon – de Kock, Linke – Latal (87. Müller), van Hoogdalem, Wilmots, Nemec, Büskens – Max (70. Eigenrauch), Eijkelkamp (85. Pereira)

Zuschauer: 36.304

Tore: 0:1 Linke (34.), 1:1 Gravesen (70.)