Das Portrait
: Großmutterliebling im "Hotel Victoria"

■ Vico Torriani

Mit ihm konnten sich die Deutschen daran gewöhnen, daß das Ausländische interessant, weil nicht so sehr undeutsch sein kann: Vico Torriani, einer der wichtigsten Showfiguren in der Bundesrepublik der Sechziger, war zwar Schweizer, galt aber wegen seiner welligen Haare und seines leicht frivolen Blicks als italienisch, also generell lateinisch-unzackig. 1920 als Skilehrersohn in Genf geboren, avancierte er zunächst als Hotelier, Konditor, Kellner und Koch – solide, bodenständige Berufe, die ihn nach eigenen Worten unabhängig vom Unterhaltungsgeschäft machten.

1946 gewann er einen Talentwettbewerb, danach folgten Jahre bei Radio Zürich und Auftritte in Nachtclubs – er erhielt seinen ersten Schallplattenvertrag. 1951, als Tonträger noch als Schellackpressungen verkauft wurden, sang Torriani seinen ersten Hit: „Addio, Donna Grazia“. In den fünfziger Jahren folgten weitere Lieder, die indes von jugendlichen Hipstern während der beginnenden Rock-'n'-Roll- Ära als spießig abgetan wurden. Schlagerklassiker wurden die Songs trotzdem: „Kalkutta liegt am Ganges“, „Siebenmal in der Woche“ oder „Schön und kaffeebraun“.

Den Gipfel seiner Karriere erklomm Torriani aber erst 1967, als er Nachfolger Lou van Burgs in der ZDF- Show „Der goldene Schuß“ wurde. Der Schweizer machte das Rennen vor dem Niederländer Rudi Carrell: Bei Torriani – der als singender Oberpage in der TV- Show „Hotel Victoria“ Anfang der Sechziger Mütter und Großmütter für sich einzunehmen wußte – waren sich die ZDF-Wächter sicher, was sie live erwartet – unverdächtige Unterhaltung.

Der Tessiner, der in etlichen der billigen deutschen Schlagerfilme, den unbedarften Schweizer Saubermann spielte, war stets auf ein honoriges Image aus. Einerseits sollte es Weltgewandtheit und Internationalität vermitteln, andererseits die Mühen harter Arbeit vor der Kamera nicht verleugnen. Torriani verkaufte insgesamt zwölf Millionen Schallplatten, erhielt die Hermann- Löns-Medaille, den „Stier von Salzburg“ und den TV- Bambi.

Sein Biograph Walter Studer erkannte in Torriani einen Oppositionellen, weil er „gegen den Willen der geistigen Elite“ Erfolg hatte.

Vorigen Mittwoch starb Torriani, zuletzt nur selten in Revivalsendungen, 77jährig im Tessiner Heimatort Agno. Jan Feddersen