Analyse
: Das Amt wird siegen

■ Im Streit um Euro-Prozentzahlen geht die Umverteilung im Lande unter

Der Präsident des Statistischen Bundesamtes konnte in aller Ruhe eine Presseerklärung verfassen lassen: „Die Zweifel an den gestern veröffentlichten Ergebnissen sind unbegründet und entbehren jeder Grundlage“, meinte Johann Hahlen am Samstag. Ins Gerede gekommen war die Zahl 2,7 Prozent. So hoch ist nämlich nach der EU-normierten Rechnung der Statistik-Päpste aus Wiesbaden das Staatsdefizit Deutschlands im Jahr 1997, dem Stichjahr für den Beitritt zum Euro. Dafür sollte dringend ein Wert von 3,0 Prozent oder darunter erreicht werden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte Anfang Januar ein Defizit von 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für 1997 ausgerechnet – wobei das Institut jedoch schon damals nach der EU-Methode nur 3,1 Prozent geschätzt hatte. Schließlich rechnen die maßgebenden EU-Statistiker die Zuschüsse an Krankenhäuser im Gegensatz zum früheren deutschen Verfahren nicht mit ins Staatsdefizit hinein.

Das Amt wird siegen Im Streit um Euro-Prozentzahlen geht die Umverteilung im Lande unter

Das DIW wundert sich nun öffentlich, wie das Defizit so weit unter seiner damaligen Rechnung liegen kann. Hier werden in den nächsten Wochen noch einige Zahlenreihen abzugleichen sein. Durchsetzen wird sich wohl das Statistische Bundesamt. Dessen Präsident Hahlen verwies schon am Samstag genüßlich auf die „weitaus vollständigere statistische Grundlage, als sie dem DIW zur Verfügung steht“, und die neueren Zahlen des Bundesamtes. Alle erreichbaren Experten nannten die offiziellen Zahlen ebenfalls „sauber“.

Ob all der Zahlen um den Euro blieb eine zweite Mitteilung des Bundesamtes vom Freitag eher unbeachtet, nämlich die zum Volkseinkommen. Das kletterte 1997 im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent. Doch die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit – und die machen 69 Prozent des Gesamtkuchens von 2.747 Milliarden Mark aus – stiegen nur um 0,2 Prozent. Unternehmer und Vermögende hingegen steigerten ihr Einkommen um satte 8,9 Prozent innerhalb eines Jahres. Sage noch einer, in Deutschland ließe sich nichts verdienen als Selbständiger.

Die Exportwirtschaft steigerte ihre Produktion um 10,7 Prozent. Dabei gab es für die Profite noch einen Extrabonus: Die Lohnstückkosten, also die Bruttoarbeitskosten pro produziertem Gut, sanken 1997 um 1,8 Prozent. Die Produktivität stieg also wesentlich stärker als die Lohnkosten. Das fördert zwar die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft gegenüber der in den Nachbarländern. Gleichzeitig wird jedoch der Konsum im Inland gebremst. Das Ergebnis steigender Produktivität und gleichbleibenden Konsumenteneinkommens lieferte das Statistische Bundesamt gleich mit: Die Zahl der Erwerbstätigen sank 1997 im Westen um 287.000, in der ehemaligen DDR um 206.000 Personen. Reiner Metzger