Kommentar
: Perfekte Dramaturgie

■ Schröders Kanzlerkandidatur ist eine Niederlage für die Linke

Gerhard Schröders Kalkül ist perfekt aufgegangen. Die SPD hat seine Spielregel akzeptiert, daß in Niedersachsen entschieden wird. So hat Schröder dieses Heimspiel bundespolitisch aufgeladen. Das Ergebnis ist ein Plebiszit für Schröder, dem offenbar alles glückte. Er hat die SPD- Stammwähler mobilisiert, in der Mitte gewonnen und zudem einen grünen Zugewinn verhindert. Das ist ein Sieg, der sein Image als Macher glanzvoll bestätigt. Alles lief in eine Richtung: seine. Ein sozialdemokratischer Supermann. Mag das Resultat auch strahlend erscheinen – für die deutsche Linke ist dies ein höchst zwiespältiges Ereignis. Denn mit dem Kanzlerkandidaten Schröder sinken die Chancen für eine rot-grüne Politik in Bonn, die den Namen verdient. Was wahlarithmetisch klappen kann, muß politisch nicht funktionieren. Der ökosoziale Umbau, das Kernstück von Rot-Grün, wird mit Schröder ein Ornament, eine Verzierung, die man sonntags aufpoliert, aber im politischen Alltag nicht braucht. Denn Schröder steht für gußeisernen Wachstumsglauben.

War Lafontaines Niederlage vermeidbar? Kaum. Hätte er gegen diesen Wahlsieg auf seinen Ambitionen bestanden, wäre er den Ruch des großen Egozentrikers nie mehr los geworden. Nun kann er sich noch nicht einmal als selbstloser Königsmacher profilieren: Mit diesem Ergebnis hat Schröder sich selbst aufgestellt.

Der tiefere Grund für Lafontaines Niederlage ist ein anderer: Keine Partei kommt mehr ohne Doppelspitze aus. Das Duo Schröder (Medien, rechts) Lafontaine (Partei, links) spiegelt sich bei den Grünen in dem Tandem Fischer und Trittin. Auch die CDU tritt mit zwei Optionen an: Kohl, wenn alles so bleibt, wie es ist, und Schäuble, dem Kompromißbegabten, der eine Große Koalition leiten könnte. Gerade die SPD braucht die Doppelspitze, weil in ihrer Anhängerschaft höchst verschiedene Milieus aufeinander treffen: traditionelle Arbeiterschicht und postmaterielle Mittelschicht zum Beispiel. Verstärkt wird diese Differenzierung noch, weil die medial geprägte Öffentlichkeit und Parteiöffentlichkeit immer weiter auseinanderdriften.

Deshalb konnte Lafontaine nicht antreten: Er kann die ganze SPD nicht allein repräsentieren. Er braucht Schröder – und vice versa. Doch Schröder wollte nie als Minister nach Bonn, nur als Kanzler. Seine Kandidatur erscheint nun wie eine self fullfilling prophecy. Stefan Reinecke