„Wild Entschlossene“gesucht, die auch wirklich durchhalten

■ Bis Ende Mai werden in mehr als 5.000 Unternehmen Betriebsräte gewählt: Doch ganz so einfach sind die KandidatInnen nicht zu finden

Der erste Schritt ist der schwierigste, heißt es. Und: Man braucht „drei wild Entschlossene, die durchhalten“(IG BAU-Vorsitzender Wolfgang Jägers). Oder: „Nie war der Druck so groß wie heute“(IG Metall-Vorsitzender Manfred Muster). „Nun verbreiten Sie bloß nicht die Botschaft, es sei ein Riesenproblem, an einen Betriebsrat zu kommen“, warnt die Bremer Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Helga Ziegert. Am Montag rief sie die rund 200.000 Beschäftigten in den mehr als 5.000 betriebsratsfähigen Unternehmen dazu auf, sich an den Betriebsratswahlen zu beteiligen, die bundesweit bis zum 31. Mai dauern.

„Immer mehr Arbeitgeber versuchen, die Massenarbeitslosigkeit zu nutzen, um Arbeitnehmerrechte zu beschneiden“, sagte Ziegert. „Die Beschäftigten bekommen das oft schon im Arbeitsalltag zu spüren.“Um so wichtiger sei es, die gesetzlichen Möglichkeiten zur Mitbestimmung bei Arbeitszeiten, Abmahnungen und Kündigungen zu nutzen. „Sichere Arbeitsbedingungen“und gesundheitlich unbedenkliche Arbeitsplätze müßten heute erst erstritten werden.

Der Kampf beginnt allerdings schon wesentlich früher – und an verschiedenen Fronten. Da sind zunächst die Geschäftsführer oder Eigentümer kleiner und mittlerer Unternehmen, die sich erst einmal quer stellen: „Wenn Belegschaft und Chef per Du sind, gilt das An-sinnen, einen Betriebsrat gründen zu wollen, schnell als Vertrauensbruch“, ist laut Jägers die gängige Erfahrung im Organisationsbereich Bauen, Agrar, Umwelt.

Und wenn der psychische Druck nicht ausreicht, greift mancher Unternehmer zu Verzögerungs- oder Blockadetaktiken. So klagen Beschäftigte des Bürgerparkvereins, die eine Betriebsversammlung einberufen und einen Wahlvorstand wählen wollten, darüber, keinen Termin zu bekommen. Und auf dem ehemaligen Klöckner-Gelände versuchte eine Firma vergeblich, Beschäftigte zu entlassen, die ebenfalls die Initiative ergriffen hatten. „Das ist eigentlich immer das gleiche“, meint Jägers. Sein Rat: „Eben durchhalten“.

Neben dem Chef wollen auch die eigenen Kollegen überzeugt sein, zumal wenn sie sich mit dem Betrieb identifizieren und dazu neigen, den Unternehmer oder Vorgesetzten als Kumpel zu betrachten. Vor allem in Dienstleistungsbetrieben, so bestätigt der Vorsitzende der IG Medien, Kurt Müller, glauben viele Beschäftigte nicht, daß die Geschäftsführung andere Interessen hat als sie. Konsequenz: Nur bei jedem dritten Bremer Dienstleister gibt es einen Betriebsrat.

Aber auch in Unternehmen, die bereits Interessenvertretungen haben, ist es oft schwer, KandidatInnen zu finden, darin sind sich die GewerkschafterInnen einig.

Schließlich spielt nicht nur die Furcht vor möglichen persönlichen Nachteilen eine Rolle, sondern auch die immer geringeren Gestaltungsspielräume der Betriebsräte. „In den letzten fünf bis zehn Jahren sind sie oft zu Elendsverwaltern gemacht worden“, moniert Muster. Es gehe nur noch darum, Abbau abzufedern. „Da kann man doch nichts richtig machen.“

bw