Folterszenen im Offenen Kanal

■ Film über Menschenrechtsverletzungen im Iran abgebrochen / Verfahren gegen Autorin / Beiträge werden nicht vorzensiert

Der Sendeleiter des Offenen Kanals traute am Mittwoch abend gegen halb acht seinen Augen nicht. In der Sendereihe „Omid-e-Iran“(Hoffnung des Iran) flimmerten die unkommentierten Bilder einer Steinigung im Iran über den Bildschirm: Zwei Bündel werden in die Mitte einer Menschentraube getragen und zur Hälfte im Sand eingebuddelt. Steine fliegen. Die Leinentücher färben sich blutrot und zerreißen. Erst jetzt bemerkt der Zuschauer, daß es sich um Menschen handelt. Den Todeskampf hält die Kamera aus nächster Nähe fest. Nach etwa 20 Minuten schaltete der Sendeleiter den Film ab. „Das war so brutal, so etwas Grausames habe ich noch nie vorher gesehen“, stellt sich Uwe Parpart, der Beauftragte für die Offenen Kanäle im Land Bremen, hinter die Entscheidung des Sendeleiters. Seit sechs Jahren können BremerInnen ihre Beiträge im Studio des Offenen Kanals in Bremen und Bremerhaven produzieren und senden. Der Offene Kanal finanziert sich über die Rundfunkgebühren und geht jeden Tag zwischen 17 und 21 Uhr mit Erstausstrahlungen auf Sendung. Bis zum fünfjährigen Bestehen des Offenen Kanals im vergangenen Jahr waren rund 11.000 Beiträge von etwa 2.500 BremerInnen gesendet worden.

Nach Auskunft Parparts ist es jedoch noch nie vorgekommen, daß ein Film von der Sendeleitung unterbrochen wurde. „Der Abbruch eines Films greift in ein Grundrecht ein“, räumt er ein. Deshalb dürften Menschenrechtsverletzungen selbstverständlich angeprangert werden. Der Offene Kanal sei jedoch kein „rechtsfreier Raum“. Der gezeigte Film verstoße unter anderem gegen Paragraph 19 des Landesmediengesetzes, der vorschreibt, daß „die Würde des Menschen“zu achten ist. „Hier werden sterbende Menschen in einer grausamen Situation gezeigt, ihre Würde wird verletzt“, so Parpart. Außerdem hätten die brutalen Bilder mit Blick auf das Jugendschutzgesetz nicht am frühen Abend gezeigt werden dürfen. Sendungen, „die geeignet sind, das körperliche, geistige und seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen“, dürfen, wenn überhaupt, nur zwischen 23 Uhr und sechs Uhr gesendet werden.

Eine journalistische Leitung, die die Sendungen, wie es bei anderen Fernsehstationen üblich ist, abnimmt, und die Autoren auch davor bewahren soll, über juristische Fallstricke zu stolpern, gibt es beim Offenen Kanal nicht. Die Autoren würden allerdings „intensiv“auf die Rechtslage hingewiesen. „Eine Vorzensur würde den Offenen Kanal ad absurdum führen“, sagt Parpart. Vor der Sendung würde sich die Sendeleitung allerdings unterschreiben lassen, daß die Autoren die geltenden Gesetze eingehalten haben. „Wir erheben nicht den Anspruch, ein journalistisches Medium zu sein. Wir geben den Leuten, die sich keinen Sender leisten können, nur die Möglichkeit, ihre Beiträge zu senden. Wir sind ein kulturell-mediales Dienstleistungszentrum. So schlicht ist das“, meint Parpart. Die Autorin des Films, die sich gegenüber der taz nicht äußern wollte, hat jetzt eine Woche Zeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Sie darf derzeit beim Offenen Kanal nicht mehr auf Sendung gehen. Sollten die Vorwürfe aufrecht erhalten werden, ist der Offene Kanal für ihre Sendungen bis zu acht Wochen dicht. Gegen diese Entscheidung kann sie zunächst Widerspruch beim Direktor der Landesmedienanstalten einlegen oder später vor dem Verwaltungsgericht klagen. kes