Nur der Name blieb

■ Nun will die Belegschaft Nicaraguas einstiges Regierungsblatt wieder flottmachen. Die Sandinisten hinterließen nicht mal Druckerschwärze

Managua (taz) – Nun soll Barricada wieder auferstehen aus Ruinen. Nicaraguas sandinistische Tageszeitung war in den vergangenen drei Jahren von ihrem Direktor Tomas Borge zielsicher heruntergewirtschaftet und schließlich am 31. Januar eingestellt worden. In einem letzten Akt der Großzügigkeit hat nun das Direktorium der Sandinistenpartei FSLN beschlossen, das Blatt den beschäftigungslos gewordenen Arbeitern und Journalisten zu schenken. Wohlgemerkt: Verschenkt wird nur die Zeitung. Das Gebäude und die Druckmaschinen bleiben im Besitz des FSLN-Verlags.

Die 275 Angestellten haben einen Zeitungstitel, mehr nicht. Trotzdem geben sie sich optimistisch. „Die neue Barricada wird demnächst erscheinen“, sagt ihr Sprecher Carlos Garcia. „Keinerlei Verbindungen“ werde sie mehr mit den Sandinisten haben.

Erst einmal müssen sie jetzt eine AG gründen und Käufer für die Aktien finden. Die Beschäftigten wollen laut Garcia 25 Prozent behalten. Jeder Unternehmer sei willkommen, „egal welche politische Farbe er hat“. Nur die FSLN soll höchstens eine Minderheitsbeteiligung erwerben dürfen. Ob genügend Kapital zusammenkommt, ist äußerst zweifelhaft, denn Tageszeitungen sind in Nicaragua ein mageres Geschäft. Barricada lag zwar mit einer geschätzten Auflage von zuletzt 5.000 bis 8.000 Exemplaren nicht einmal so schlecht im Markt. Aber was fehlte, waren Anzeigen. Borge hatte daher den rechten Präsidenten Arnoldo Aleman und ihm nahestehende Unternehmer für das Ende des Blattes verantwortlich gemacht. Die nämlich priesen ihre Wohltaten und Waren lieber anderswo an.

Barricada war am 25. Juli 1979 zum ersten Mal erschienen, kurz nachdem die Sandinisten die Somoza-Diktatur gestürzt hatten. Der Verlag hatte vorher dem Somoza-Clan gehört. Während der sandinistischen Herrschaft war die Zeitung die Hauspostille der Regierung – mit zu ihren besten Zeiten über 80.000 Exemplaren.

Nach der sandinistischen Wahlniederlage paßte Barricada-Chef Carlos Fernando Chamorro 1990 das Blatt den neuen Zeiten an. Ein stilisierter Sandino-Hut statt einer Barrikade und das nationale Blau- Weiß statt des sandinistischen Rot- Schwarz auf dem Titel hatten Symbolcharakter. Das Blatt pinkelte jetzt schon mal der sandinistischen Führung ans Bein. Borge, letzter FSLN-Altkader mit realsozialistischer Ausbildung, sah sich das vier Jahre lang an.

Dann schlug er gemeinsam mit Generalsekretär Daniel Ortega zu. Chamorro wurde entlassen. Mit ihm ging die halbe Redaktion. Borge machte aus Barricada in der Folgezeit den Kettenhund der Partei.

Doch finanziell engagieren wollte die Partei sich nicht. Ein linkes Parteiblatt ohne Parteigeld aber war im Kapitalismus einfach nicht zu machen. Drei Jahre lang häuften sich die Schulden. Zuletzt wollte niemand mehr Druckerschwärze liefern.

Ende Dezember wurde die Krise öffentlich: durch einen Hungerstreik der Journalisten, die auf ihre Löhne warteten. Borge unterschrieb ein Zahlungsversprechen, das am 31. Januar uneingelöst auslief. Damit war die Zeitung tot.

Manuel Calero, ein Borge-Getreuer in der Redaktion, macht interne FSLN-Streitigkeiten für das Ende verantwortlich. Er glaubt, ein moderater Flügel wolle den Hardliner Borge kaltstellen. Das Ableben von Barricada, sagt Calero, „schmälert die Machtbasis des Kommandanten Tomas Borge“. An die „neue“ Barricada glauben hingegen auch in der Partei nur wenige. Toni Keppeler