Wachsender Protest gegen Chinas Li Peng

■ Volkskongreß zur Ablehnung Lis aufgefordert. Amnesty: 2.000 „Konterrevolutionäre“ in Haft

Peking/London (dpa/epd) – Der Widerstand gegen die geplante Berufung des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng zum neuen Parlamentschef wächst. In einem gestern bekanntgewordenen offenen Brief an den Nationalen Volkskongreß protestierten fast 500 im Ausland lebende Chinesen gegen Li Peng. Sie lasten ihm Amtsmißbrauch und die Verantwortung für die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 an.

Unterschrieben haben den Brief Dissidenten, Studenten, Geschäftsleute, Akademiker, Journalisten und Autoren aus den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und den Niederlanden. Unter ihnen sind der ausgewiesene „Vater der Demokratiebewegung in China“, Wei Jingsheng, der exilierte Dissident Liu Gang, der 1989 geflüchtete Studentenführer Wu'er Kaixi un der Aktivist Liu Qing.

Die Petition ist die jüngste einer ungewöhnlichen Welle von Appellen an die 2.780 Delegierten des Volkskongresses, der am Donnerstag zu seiner jährlichen Sitzung zusammentritt. Auch die Familien der Dissidenten Wang Dan, Liu Nianchun und Li Hai forderten in einem Aufruf an den Volkskongreß deren Freilassung und Rehabilitation. In anderen Petitionen haben Dissidenten und Angehörige der Opfer der Massakers von 1989 die Freilassung aller politischen Gefangenen und eine Neubewertung der Demokratiebewegung von 1989 gefordert.

Nach Angaben von amnesty international sind in China noch immer Tausende von politischen Gefangenen in Haft. Über 200.000 Menschen seien 1997 ohne Anklage zur „Umerziehung durch Arbeit“ gezwungen worden. Mindestens 2.000 Gefangene seien wegen „konterrevolutionärer“ Aktivitäten in Haft, obwohl im März 1997 dieses Vergehen aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde.

Laut amnesty seien in China trotz Menschenrechtsinitiativen der kommunistischen Führung unfaire Gerichtsverfahren, Folter, Mißhandlungen und Todesurteile an der Tagesordnung. „In der Praxis hat sich wenig geändert“, bilanzierte die Organisation gestern in London. Sie forderte den Volkskongreß auf, sich für die Umsetzung internationaler Menschenrechtsabkommen einzusetzen. Die Staatengemeinschaft solle in China die Rufe nach einem Wandel stärker wahrzunehmen. Weniger Gehör sollte das Argument der Führung Chinas finden, daß eine Änderung der Menschenrechtspolitik nicht möglich sei, ohne die Stabilität zu gefährden.