■ Gerhard Schröder macht's möglich: Die SPD geht mit einem neuen Selbstbewußtsein in den Bundestagswahlkampf - dank eines genialen Medienmanagements, das sogar die alte Klientel, die Arbeiterschaft, mobilisieren konnte.
: Das Beste, was passi

Gerhard Schröder macht's möglich: Die SPD geht mit einem neuen Selbstbewußtsein in den Bundestagswahlkampf – dank eines genialen Medienmanagements, das sogar die alte Klientel, die Arbeiterschaft, mobilisieren konnte.

Das Beste, was passieren konnte

Erfolg ist sexy, und da wollen alle dabeisein. Seit Sonntag abend glaubt die deutsche Sozialdemokratie erstmals seit langer, langer Zeit wieder an einen Sieg in Bonn. „Schröder macht's“, die Parole war schon rum, bevor noch die ersten Hochrechnungen über den Bildschirm flimmerten. Schon vor Schließung der Wahllokale in Niedersachsen waren die Prognosen so klar auf Sieg, daß Oskar Lafontaine bereits am Sonntag nachmittag grünes Licht an seinen Bonner Statthalter Müntefering gab. „Schröder macht's“, daran gab's nichts mehr zu deuteln. Für die Partei ist das „Traumergebnis“ in Niedersachsen in jeder Hinsicht optimal. Alle Irritationen der letzten Monate sind mit einem Schlag weggewischt. „Das Duell“, meinte Volker Halsch, Geschäftsführer der SPD Hessen-Süd zur taz, „war für uns ja wunderbar. Seit langem war die SPD nicht mehr so spannend für die Öffentlichkeit. Aber jetzt brauchen wir um so mehr eine weiche Landung.“ Und da wollen alle, alle dabeisein.

„Das“, sagt auch Johano Strasser, der innerparteilich immer für eine Kandidatur Oskar Lafontaines geworben hatte, „war nach Lage der Dinge das Beste, was der SPD passieren konnte.“ Strasser ist froh, daß die Kandidatenfrage in aller Eindeutigkeit entschieden wurde, und hofft, daß es jetzt auch zu einer inhaltlichen Annäherung zwischen den beiden Vorleuten kommen wird. „Schröder weiß ja, daß er es auch nur im Tandem mit Lafontaine und der Partei schaffen kann. Außerdem ist er jetzt so von seinem Erfolg überzeugt, daß seine Profilneurose wohl nachlassen wird.“

Um so verständlicher ist der Jubel dieser Tage. Jetzt hat die Partei nicht nur einen Kanzlerkandidaten, sie hat auch einen echten Hoffnungsträger für den Griff zur Macht. Das weitere Szenario ist darauf angelegt, Schröder nun von Erfolg zu Erfolg zu hieven. Mitte März wird die SPD, das heißt Schröder und Lafontaine, in trauter Eintracht das zukünftige Regierungsprogramm präsentieren. Am 17. April ist der offizielle Nominierungsparteitag, auf dem Schröder sich von der Partei in allen ihren Schattierungen feiern lassen kann. „Nörgelei ist dann nicht mehr gefragt, daß wäre ja auch dumm“, sagt Strasser. „Diesen Gefallen wird der CDU niemand in der SPD mehr tun.“ Mit der medialen Inszenierung des Parteitags im Rücken, soll Reinhard Höppner dann wenige Tage später einen erneuten SPD-Wahlsieg in Sachsen-Anhalt einfahren. Wenn nichts Dramatisches mehr passiert, wird ihm das wohl auch gelingen. Alle Umfragen sind günstig, Schröder hat im Osten ein gutes Image und die SPD erstmals die Chance, auch in die Wählerklientel der PDS einzubrechen.

Kritisch ist es eher für die Grünen. Die sieben Prozent in Niedersachsen waren eine deutliche Warnung, was passieren könnte, wenn sich die kommenden Monate zu einem einzigen, völlig personalisierten Schlagabtausch zwischen Schröder und Kohl entwickeln sollten. Wenn die gesamte Aufmerksamkeit auf die beiden Großen gerichtet ist, können die Kleinen schnell untergehen. Die Gefahr besteht für die Grünen besonders im Osten. Gerhard Schröder hat es sich jedenfalls gleich am Morgen nach seinem großen Wahlsieg nicht nehmen lassen, noch einmal darauf hinzuweisen, daß Rot-Grün für ihn keine „Wunschkoalition“ ist. Er wisse zwar, daß eine Alleinregierung der SPD im Bund „unrealistisch ist“, die SPD dürfe sich aber nicht auf die Grünen fixieren.

Die versuchen nun verstärkt, dem Wähler klarzumachen, daß nur die Grünen auch für einen inhaltlichen Wechsel in Bonn sorgen können. Wo Schröder wolkig von sozialverträglicher Modernisierung schwadroniert, beharren sie auf einer ökologischen Steuerreform und einer neuen Energiepolitik einschließlich des Ausstiegs aus der Atomenergie.

Darauf angesprochen, ob diese Vorhaben denn mit einem Kanzler Gerhard Schröder realisierbar wären, antwortet Parteisprecher Jürgen Trittin etwas trotzig, Koalitionen würden ja zwischen Parteien und nicht zwischen Personen abgeschlossen. „Deshalb“, sagt Fraktionssprecherin Kerstin Müller, können die Grünen „mit dem Kanzlerkandidaten Schröder sehr gut leben“. Im stillen hoffen sie wohl auch weiterhin noch auf Oskar Lafontaine. Nicht ganz zu Unrecht, denn das Lieblingsmodell auch der meisten SPD-Mitglieder nach einem Wahlerfolg verbreitete gestern morgen bereits Altmeister Egon Bahr über Inforadio Berlin- Brandenburg: Wenn Schröder Kanzler ist, soll Lafontaine Fraktionschef werden. „Das sei das Natürlichste der Welt“, meint Bahr. Auch wenn das der amtierende Fraktionschef Rudolf Scharping wohl nicht so sieht, hoffen tatsächlich viele Parteifunktionäre, die Schröder jetzt zujubeln, daß Lafontaine dann schon dafür sorgen wird, daß bei einer Regierung, wo SPD draufsteht, auch SPD drin ist. Jürgen Gottschlich