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: Wenn die Giftmischerin kommt

Emanzipierte Frauen morden mehr. Das ist die gute Nachricht und eine der Thesen des Buches „Hexenjagd – Weibliche Kriminalität in den Medien“. Es zitiert auch die Gegenthese, nach der besonders konservative, frustrierte Frauen tödlich reagieren. Frauen morden freilich immer noch weniger als Männer, das ist noch eine gute Nachricht. Und die schlechte: mordende und mordverdächtige Frauen sind medial überrepräsentiert, werden gleichzeitig zu Un- und Über-Frauen stilisiert.

„Hexenjagd“ ist vor allem eine Vergleichsarbeit, zusammengetragen von neun WissenschaftlerInnen. Sie befassen sich mit der Berichtersattung der Printmedien über Angeklagte in alten und in aktuellen Strafprozessen. Die These: Es gebe in all diesen Medien regelmäßig eine Verbindung typisch weiblicher Verhaltensmuster mit den Täterinnen. Das Klischee von der heimtückischen, gefühlsbetont giftmischenden Gattenmörderin herrsche weiter. Zum Vergleich analysiert die Juristin Dagmar Oberlies den Fall Bubi Scholz, der 1985 seine Frau erschoß. Sie zeichnet nach, wie Scholz zum bemitleidenswerten, einsamen Witwer stilisiert wird.

Es ist beileibe nicht immer die Boulevardpresse, die zur Hexenjagd bläst. Im Fall Petra Kelly waren es sogar die Straßenblätter, die den von anderen Medien behaupteten Doppelselbstmord anzweifelten. Irmgard Schulz nimmt sich des Falls Monika Haas an, die noch immer in Frankfurt vor Gericht steht. Schulz entwirrt akribisch: die Erschaffung der fiktiven Person Monika Haas durch die Medien, Super-Frau, Top-Terroristin und Doppelagentin.

Gegen die Beschädigung der Angeklagten durch solche Berichte wollen sich die Autorinnen wenden. Damit bringen sie allerdings jede Gerichtsberichterstattung in eine Zwickmühle. Schließlich muß sie einerseits die gesetzlich geforderte Öffentlichkeit des Verfahrens garantieren – und bedient mitunter gleichzeitig den Voyeurismus des Lesers. Heide Platen

Petra Henschel, Uta Klein (Hg.): „Hexenjagd – Weibliche Kriminalität in den Medien“. Suhrkamp Verlag, 16,80 DM