Auch auf Europäischer Ebene wird gekinkelt

■ betr.: „EU schenkt China weiße Weste“, taz vom 24.2. 98

Zwei Nachrichten liegen mir vor, die mich zutiefst erschüttern: Eine 24jährige buddhistische Nonne, Gyaltsen Kelsang, ist ihren Folterverletzungen im Drapchi- Gefängnis in Lhasa erlegen. Ihr „Verbrechen“: Sie hatte für die Freiheit des Volkes demonstriert.

Der zweite Bericht: Die EU- Außenminister haben beschlossen, Resolutionen der UN zu Völkerrechtsverletzungen in China nicht mehr zu unterstützen, denn dieses sei ein „wichtiges Land“.

Wichtig für wen?

Unser Außenminister behauptet, mit China einen Dialog über Menschenrechte unter der Bezeichnung „stille Diplomatie“ begonnen zu haben. Wie Insider die chinesische Reaktion kennen, werden die Namenslisten der Gefangenen zwar entgegengenommen, aber nach den „diplomatischen Verhandlungen“ weggeworfen.

Vom Bundeskanzler ganz zu schweigen, denn er hat seine Freundschaft zu den kommunistischen Herrschern längst bewiesen.

Und natürlich mußten Frankreich, Deutschland und Spanien 1997 eine Resolution verhindern, weil China mit einem 2,5-Milliarden-Auftrag für den Airbus gelockt hatte. Korruption und Bestechung auf höchster Ebene also. Allein Dänemark weigert sich noch. Nun, sie sind an der Airbus-Produktion auch nicht beteiligt.

Warum gibt es keinen Aufschrei? Keine Reaktion der öffentlichen Meinung? Für die EU sind eben Flugzeuge und Handel wichtiger als Menschenleben, auch mit menschenverachtenden Regimen.

Amnesty international plädiert für starke und entschlossene diplomatische Bemühungen, aber wer hört schon auf die? Michael Alexander,

Tibet Information Service

Jetzt wird auch auf Europäischer Ebene gekinkelt. Man will ja unsere Geschäftspartner bei Laune halten. Parallel dazu wird Birma (wirtschaftlich ziemlich abhängig von China) gut hörbar angekläfft, damit wir mutigen Einsatz für Menschenrechte vorzeigen können.

Chinesen sind weise Geschäftspartner. Zusammen mit ihrer deutschen Gegenseite singen sie das Lied vom „Handel durch Wandel“ und von der Trennung von Geschäft und Politik. Gleichzeitig lassen sie sich das Land bis zum Platzen mit westlichem Kapital vollpumpen, das die Investoren natürlich gerade in den Zeiten der „Asienkrise“ jetzt nicht auch noch in China gefährdet sehen wollen. Während die europäischen Trottel nun Handel und Politik brav trennen, nutzen die Chinesen den Handel zur Steuerung der Politik.

Es geht hier nicht um Moral in China, sondern um unglaubliche Dummheit in Europa. Und Deutschland ist ganz vorne dabei. Das China unser grob fahrlässiges Kinkeln nutzt, kann man seinen Diplomaten natürlich nicht vorwerfen: „Was nun die China-Resolution angeht: Ich bin froh, daß darüber nicht einmal abgestimmt wurde. Das ist ein Sieg der Kooperation. Und wenn es der Westen nächstes Jahr noch einmal versucht, werden wir ihn wieder schlagen.“ (Wu Jiang-Min, Botschafter der VR China in Deutschland, Interview in Die Zeit, 18.4. 1997, Seite 4)

Noch nicht einmal ein Jahr nach dieser Drohung kippen die so brav kooperierenden Europäer um, ohne jemals überhaupt richtig gestanden zu haben. Götz Kluge, München