Kim Dae Jungs Geduld ist am Ende

■ Süd-Koreas neuer Präsident Kim Dae Jung ernennt nach sechstägiger Blockade der Opposition einfach den Premierminister und das Kabinett

Tokio (taz) – Nichts ist gegenwärtig für Süd-Korea schädlicher als eine handlungsunfähige Regierung. Diese Meinung hat Präsident Kim Dae Jung nach sechstägigem Gerangel mit der Opposition gestern bewogen, seinen umstrittenen Kandidaten für das Amt des Premierministers, Kim Jong Pil, schließlich ohne parlamentarische Zustimmung einzusetzen. „Ich kann die nationalen Geschäfte nicht länger in der Luft hängenlassen“, begründete Kim den nicht ganz verfassungskonformen Schritt. Dabei kann der Präsident sogar mit der Unterstützung der Bevölkerung rechnen. Denn in den Augen der meisten Südkoreaner ist die Große Nationalpartei (GNP) verantwortlich für die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise des Landes. Als bisherige Regierungs- und jetzige Oppositionspartei hat die GNP mit 161 von 299 Sitzen die Mehrheit im Parlament.

Vor der Einsetzung des Premiers gab Kim die Zusammensetzung des 17köpfigen Kabinetts bekannt. „Ausgewogenheit war das Leitmotiv für die Auswahl der Minister“, sagte Kims Sprecher Park Ji Won. Im Namen der „nationalen Einheit“ hat Kim Vertreter aus allen Landesregionen gewählt. Er berief weniger Technokraten und mehr Politiker ins Kabinett.

Den wichtigsten Posten im Finanzministerium übernimmt der 59jährige Universitätsprofessor und Ökonom Lee Kyu Sung. Er gilt als Finanzexperte, der die Auflagen des Internationalen Währungsfonds treu umsetzen wird. Ins ebenso wichtige Außen- und Handelsministerium hat Kim den bekannten Parlamentarier Park Jung Soo (66) berufen, dem enge Beziehungen zur US-Regierung nachgesagt werden. Park ist auch als Vizepräsident der Internationalen Parlamentariervereinigung bekannt.

Die Schwierigkeiten, auf die Kim Dae Jung bei der Regierungsbildung gestoßen ist, dürften sich künftig fortsetzen, wenn es seiner Koalition aus dem Nationalkongreß für Neue Politik (NCNP) und aus den Vereinigten Liberaldemokraten (ULD) nicht gelingt, mindestens 15 Abgeordnete der GNP zum Wechsel in die Koalition zu bewegen. Eine Strategie, die in Süd-Korea zum politischen Alltag gehört. Auch der neue Außenminister Park wechselte erst 1996 von der Regierungspartei des damaligen Präsidenten Kim Young-sam zur Opposition. André Kunz