Bombenbastler weiter auf der Flucht

■ Per Steckbrief fahndet die Polizei nach drei Neonazis, die nach einer Razzia untergetaucht sind. „Vom Baseballschläger zum Sprengstoff“

Jena (taz) – Aufregung beim Landeskriminalamt Thüringen: Mehrere Zeugen wollen den steckbrieflich gesuchten Neonazi Uwe Mundlos in der Jenaer Innenstadt gesehen haben. Der 24jährige Mundlos wird seit knapp fünf Wochen zusammen mit Uwe Böhnhardt (20) und Beate Zschäpe (23) wegen Vorbereitung von Sprengstoffverbrechen gesucht, nachdem in einer Garage im Jenaer Stadtteil Burgau mehrere Rohrbomben, TNT-Sprengstoff, Waffen und neonazistisches Propagandamaterial sichergestellt worden waren. Trotz tagelanger vorheriger Observation konnte das Trio abtauchen – eine Panne, wie in Jenaer Polizeikreisen gemunkelt wird.

Der für den Fall zuständige Leitende Oberstaatsanwalt Arndt Köppen aus Gera will jedoch nichts von einer „Panne“ wissen. „Auch wenn es um Rechtsradikale geht, muß es rechtsstaatlich zugehen“, verteidigt er das Vorgehen der Beamten des Landeskriminalamts (LKA). Die hatten am 26.Januar sieben Wohnungen und Garagen in und um Jena durchforstet. Dabei hatten sie einen der jetzt Gesuchten angetroffen und wieder laufenlassen.

„Wir hatten in dem Moment keine Handhabe gegen die Person, erst drei Tage später wußten wir anhand der Fingerabdrücke auf den in einer anderen Garage sichergestellten brisanten Materialien, daß wir dieses den drei nun Gesuchten zurechnen müssen“, betont Köppen. Ob der gefundene Sprengstoff aus einem Überfall 1991 auf eine Bundeswehrkaserne in Großeutersdorf, 15 Kilometer südlich von Jena, stammt, wollte der Oberstaatsanwalt aber „weder bestätigen noch dementieren“. Damals waren knapp zehn Kilogramm Sprengstoff erbeutet worden. Es gebe „eben viele Gerüchte, aber keine heiße Spur“, kommentiert Köppen.

Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, die alle drei der rechtsextremen „Kameradschaft Jena“ zugeordnet werden, hatten nach der Razzia jedenfalls genügend Zeit zu verschwinden. Erst am 12. Februar, also mehr als zwei Wochen später, ging das LKA mit seinen brisanten Funden an die Öffentlichkeit. Man sprach dabei von einer Fahndung gegen „drei einschlägig bekannte Personen“, ohne diese jedoch zu benennen. Erst als die Namen durch eine Indiskretion dem Mitteldeutschen Rundfunk bekannt wurden, ließ das LKA über Rundfunk sowie mit Lichtbildern in Zeitungen und im Internet fahnden.

Für den thüringischen Verfassungsschutz kam der Bombenfund in Jena nicht überraschend. „In den letzten eineinhalb Jahren hatten wir einige Ereignisse mit Bombenattrappen“, bestätigt Helmut Roewer, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz. Er bezieht sich dabei auf einen im September vergangenen Jahres vor dem Jenaer Theater abgestellten Koffer. Auf den Koffer war ein Hakenkreuz gepinselt worden, im Innern befanden sich einige Gramm TNT, ein Zünder fehlte jedoch. Weitere Bombenattrappen wurden an einer antifaschistischen Gedenkstätte in Jena und an einer Autobahnbrücke bei Bucha in der Nähe von Jena gefunden.

„Es ist der Sprung vom Baseballschläger zum Sprengstoff“, kommentiert Roewer den Fund in der Garage im Jenaer Stadteil Burgau. Burgau liegt zwischen den als rechte Hochburgen verschrieenen Stadtteilen Lobeda und Winzerla. Dort werden immer wieder Punks und Ausländer mit Baseballschlägern verprügelt. Laut Roewer sind 1997 in Thüringen 1.206 Straftaten dem rechten Spektrum zuzurechen gewesen. 1996 waren es noch 939 gewesen, und 1994 belief sich die Zahl auf 477.

Dabei taten sich Angehörige der „Anti-Antifa Ostthüringen“, die auch als „Thüringer Heimatschutz“ (THS) firmiert, hervor. Sie sind vor allem in Saalfeld, Rudolstadt, Gera, Kahla, Weimar, Ilmenau, Sonneberg, Gotha und eben in Jena aktiv. Die Kameradschaft Jena ruft derzeit mit Flugzetteln und Aufklebern für den 14. März zur „Großkundgebung gegen linken Terror“ auf, einer von der thüringischen NPD in Saalfeld angemeldeten Demonstration. Schon beim Bundeswahlkongreß der NPD Anfang Februar in Passau war Jena mit knapp 40 „Kameraden“ präsent. Bernd Siegler