Sätze, die den Hals zuschnüren

■ Die Union steht hinter Kohl, sagt Kohl. Sein ehemaliger „General“ Heiner Geißler sät Zweifel an einer fünften Kandidatur des Kanzlers

Berlin (taz) – Es war spät am Abend, das politische Tagewerk des Heiner Geißler vollbracht, und so klangen die Sätze nach hochgelegten Füßen und einem Glas Cognac am Kaminfeuer. Die CDU nach der Nominierung von Gerhard Schröder zum SPD-Kanzlerkandidat? „Ohne Helmut Kohl geht es nicht“, hebt Geißler an, „und gegen ihn auch nicht.“ Es klingt, als lausche er seinen eigenen Worten nach. Noch hat er gar nichts gesagt.

Dann folgt eine Formulierung, wie sie typisch ist für einen Politiker, der seine Jahre der Wadlbeißerei als CDU-Generalsekretär schon lange hinter sich hat: Nachdenklich kommt der Satz daher, sanft auf den ersten Blick, und seine Schärfe blitzt erst im nachhinein auf. Natürlich fordert Heiner Geißler Helmut Kohl nicht offen zum Verzicht auf die Kanzlerkandidatur auf. „Aber genauso, wie jeder von uns, der in der Verantwortung steht, mal mit sich selber zu Rate gehen soll, wie es weitergehen müßte, muß er es auch tun.“ Und wie um sicherzugehen, nicht doch zu subtil formuliert zu haben, schnürt Geißler dem Bundeskanzler einen weiteren Satz um den Hals: „Er hat den Schlüssel in der Hand, es ist seine Entscheidung.“

„Ich bin's“, hatte Helmut Kohl auf die Frage nach dem Kanzlerkandidaten der Koalition bereits am Montag nachmittag erklärt. Keine zwölf Stunden wartete Geißler mit seinem Auftritt in der ZDF-Sendung heute nacht, ehe er Kohl aufforderte, erneut nachzudenken.

Nicht immer wird die Frage, ob der Kanzler noch der rechte Mann für die Bundestagswahl ist, so raffiniert aufgeworfen wie von Kohls ehemaligem „General“. „Ein Befreiungsschlag ist von Nöten“, sagt etwa Volker Ullrich, der in Bayern Vorsitzender des RCDS ist, der unionsnahen Studentenorganisation. „Ich glaube, daß wir den Bürgern nur schwerlich 20 Jahre Helmut Kohl verkaufen können.“ Ullrich will Kohl nicht mal mehr ein Ende der Legislaturperiode im Kanzleramt zu vergönnen. Der Bundestag soll Kronprinz Wolfgang Schäuble schon in den kommenden Wochen zum Kanzler wählen. Auf diese Weise käme dem neuen Mann bei der Bundestagswahl am 27. September gleich ein früher Kanzlerbonus zugute.

In Bonn will man von derart wilden Ideen nichts hören. Seit der verlorenen Niedersachsenwahl beschwören die CDU-Größen die Einheit von Partei und Kandidat um so vehementer. Bei der CSU hingegen deutet sich eine vorsichtige Absetzbewegung von Helmut Kohl an. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, die CSU wolle bei ihrem Landtagswahlkampf Auftritte des Bundeskanzlers auf ein Minimum reduzieren. Patrik Schwarz